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Diadem von den Sternen

Diadem von den Sternen

Titel: Diadem von den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Lippe aufplatzte; das Blut, das über ihr Gesicht rann. Dann krachte ihr Nasenbein, und der Schmerz sickerte in ihr Refugium ein. Sie glitt in völlige Bewußtlosigkeit ab.
    Haß … Furcht … Schrecken … Lust … Als Aleytys wieder in das schmerzversengte Bewußtsein trieb, duckte sie sich vor den Emotionen, die zäh in der beißenden Luft brodelten. Sie war in eine Ecke des Wohnwagens geworfen worden, an Dutzenden von Stellen pulste Schmerz in ihrem Körper, Tarnsians Nässe beschmutzte sie.
    Im Mondlicht, das durch das kleine Fenster hereinströmte, sah sie die Körper, die sich auf dem Bett wanden. Sie sah weg, drehte sich um, versuchte den Anblick und die Geräusche auszuschließen – diese ekelerregende Mischung aus Lust, Haß, Furcht Schmerz, die wie stinkender Rauch über dem Bett wirbelte –, schmiegte sich in die Ecke, Krämpfe verzerrten ihren Magen, bis sie sich immer wieder übergab. Körperlich und geistig erschöpft, zog sie sich in die warme Finsternis der Bewußtlosigkeit zurück.
    In der Schwärze des Nichtbewußten … Sie fühlte nichts, dachte nichts, hörte, sah, berührte nichts … Plötzlich sprang eine punktförmige Lichtquelle an und breitete sich rasch zum Bildnis eines Mannes aus, der nachdenklich eine schmale Straße entlangging, deren weißer Sand im Mondschein unheimlich leuchtete. Tarnsian. Er trug eine Abba und Sandalen anstelle der Kleidung eines Karawanenmannes. Obwohl sie den sich abspulenden Traum passiv betrachtete, verspürte Aleytys doch einen Hauch von Verwunderung darüber.
    Er stampfte in den Sand, hob seinen Fuß, begutachtete den Abdruck, den er gemacht hatte, lachte, ging weiter. Die Straße wand sich durch Felsen, dann, nachdem sich ein Tal vor ihr öffnete, setzte sie sich am Fluß entlang fort. Das verfilzte Ranshani-Dickicht wich den Horan. Tarnsian fluchte; die ungewohnte Kleidung schlang sich um seine Füße. Niedergeschlagen sank er auf eine Horanwurzel nieder und stützte seinen Kopf in beide Hände. Tief atmete er ein; schließlich lehnte er sich an den Stamm zurück, die Hände lose zwischen seinen Knien verschränkt, das Gesicht verstört und unglücklich. „Ich habe etwas getan“, sagte er. „Endlich habe ich etwas getan.“
    Unruhige Blicke aus schwarzen Augen wanderten über die schlafende Landschaft, dann lächelte er. Mit einem Ruck setzte er sich gerade auf und lockte einen Lusuq an, der sich zu dieser späten Stunde noch bewegte. Flügel schwirrten; das Tier schoß heran und ließ sich auf seinem ausgestreckten Zeigefinger nieder. Mondlicht schimmerte auf seinen glasigen, schillernden Flügeln, glitzerte auf dem stacheligen Rückenschild. Er hob seine Hand in Augenhöhe und lachte triumphierend.
    „Kleiner Freund. Tödlicher kleiner Freund.“ Er hob seine Hand von sich fort, bereit, das Insekt zu Boden zu schleudern und unter seinem Absatz zu zermalmen. Dann zögerte er.
    „Es ist nicht dein Fehler, Kleiner. Du gehorchst nur deiner Natur.“ Er behielt den Lusuq reglos auf seinem Finger, erhob sich und schlenderte die Straße entlang. „Zum ersten Mal in meinem Leben, Farenti Lusuq, war ich der Austeilende und nicht das Kissen, das geschlagen wird. Ay-yag, Lusuq, was für ein Gefühl, wenn man die Macht hat, zu töten, wen man sich aussucht!“
    Er hielt an, von der dunklen Brühe erschreckt, die in ihm hochzuwallen begann. „So viele Jahre“, sann er, und schlurfte weiter. „Weibskerl. Dreckskerl. Siani, füttere die Pferde. Siani, repariere das Yara. Verachte mich. Bleib weg von den Frauen. Schleimer. Rühr mein Essen nicht an; geh und iß mit den Huren, Siani. Deine Mutter war eine Hure, Siani. Tu dies, Weibskerl. Tu das. Selbst Marya winselte: ‚Liebe mich, Siani, liebe mich!’ Liebe!“
    Plötzlich lächelte er, und seine Augen glitzerten im Licht der Doppelmonde wie der Chitinpanzer des Insekts auf seinem Finger. „Paullo. Ein paar Chigra in seinem Bett …“ Er kicherte, sah auf den Lusuq hinunter und flüsterte weiter: „Farenti Lusuq, wie würde es dir gefallen, deinen Stachel in Paullos Gesicht zu stechen?“ Eine einsame Wolke schob sich über Aabs Gesicht, so daß die Nacht plötzlich dunkel wurde. Er seufzte. „Talle d’purg, Lusuq.“ Er hob die Hand, um das Insekt hinwegzuschnellen.
    Ein kleiner Stein kam aus der Dunkelheit herangeflogen und knallte gegen seine Schulter. Er wirbelte herum.
    Charoh hüpfte aus den schwarzen Schatten unter den Bäumen. In der Straßenmitte blieb er stehen und lachte.
    „Weibskerl!“

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