Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
Vom Netzwerk:
blitzte wieder das schüchterne Kind in ihm auf. »Tja, aber ich weiß nicht, wie man von hier aus da hinkommt.«
    Catrina lehnte sich aus der Tür und unterbrach uns. Sie winkte den Jungen zu sich heran und sagte: »Ich habe hier die Teststreifen für deinen Großvater, Olympio.«
    Diabetikerteststreifen, das erkannte ich an der Verpackung. Olympio riss ihr die Schachtel aus der Hand, warf mir einen trotzigen Blick zu und lief davon.
    Trotz all seiner Kräfte hatte Olympios Großvater es offenbar noch nicht geschafft, Diabetes zu heilen.

Kapitel 8
     
    Ich ging in die Klinik zurück. Inzwischen hatte sich eine Familie im Wartebereich niedergelassen, genauer gesagt eine Frau mit drei Kindern, außerdem ein Mann mit Tattoos, die schwer nach Gangzugehörigkeit aussahen.
    Ich signalisierte der Rezeptionistin, mich reinzulassen, dann meldete ich mich bei Catrina. »Was jetzt?«
    »Jetzt machst du Papierkram.«
    Und damit war ich dann fast den gesamten Rest des Tages beschäftigt, bis Eduardo, einer der Pflegehelfer, sich mir vorstellte und mich von meinem Schreibtisch errettete: »Bitte erkläre meinem Patienten, warum er seine Blutdruckmedikamente nehmen muss«, bat er mich.
    Ich sah mir die Werte des Mannes an – 150 zu 105, oje! – und begann mit meinen Ausführungen, die Eduardo übersetzte. »Doch … natürlich werden dadurch die Kopfschmerzen besser. Aber Sie müssen sie jeden Tag nehmen, nicht nur, wenn Ihr Kopf wehtut. Ist in Ihrer Familie schon einmal jemand an einem Herzinfarkt gestorben? Oder an einem Schlaganfall?« Es war wichtig, dass er seine Medikamente nahm, sonst hatten seine Kinder bald keinen Vater mehr.
    Während ich meinen Vortrag zum Thema Blutdruck fortsetzte, entdeckte ich am Rand seines Hemdkragens eine Tätowierung am Hals. Ich versuchte, nicht zu auffällig dort hinzustarren. Zwei eintätowierte Löcher, von denen blutrote Tinte herabtropfte. Das Ganze konnte auch Schussverletzungen darstellen, aber die Tatsache, dass es ausgerechnet zwei waren, und genau am Hals, ließ mich vermuten, dass es wohl Bisswunden sein sollten.
    Am liebsten hätte ich ihn danach gefragt, aber ich wusste, dass sich das als großer Fehler erweisen konnte. Bei Menschen, die mit Gangs zu tun hatten, waren die Tätowierungen eine Art Code, und man durfte sich nicht einfach danach erkundigen, was sie denn zu bedeuten hatten. Und selbst wann man es tat, bekam man keine eindeutige Antwort. Bei meinem alten Job hatte ich erst nach dem dritten Clownmasken-Tattoo erkannt, dass dies das Erkennungszeichen einer ortsansässigen Gang war. Bis dahin dachte ich nur, dass es seltsam – und irgendwie gruselig – war, wenn Männer in den mittleren Jahren auf Clowns standen.
    Vampire waren als Motiv sehr beliebt. Obwohl die meisten Menschen nicht wussten, dass es tatsächlich Vampire gab, waren sie tief im allgemeinen Unterbewusstsein verankert. Es wäre sicher nicht das erste Mal, dass eine Gang der Meinung war, Vampire seien cool. Was wahrscheinlich sogar stimmte, bis man dann einem begegnete.
    Ich sorgte also nur dafür, dass mein Patient begriff, warum es so wichtig war, dass er seine Medikamente nahm, dann übersetzte Eduardo noch seine Fragen an mich, anschließend durfte er gehen.
    »Das alles hättest du ihm doch auch sagen können, oder?«
    Eduardo grinste verschlagen. »Wenn es von dir kommt, klingt es offizieller. Einige von ihnen hören diese Sachen lieber von einer gringa .«
    Mit einem abfälligen Schnauben schob ich mich an ihm vorbei. »Hey …« Auf dem Arbeitstisch hinter mir lag eine Blutprobe. Ich zeigte darauf. »Wofür ist die eigentlich?« Sie war nicht etikettiert. Eduardo ließ das Röhrchen in einen Plastikbeutel fallen und ging zur Tür.
    »Da musst du schon Dr. Tovar fragen«, sagte er achselzuckend, bevor er auf den Gang verschwand.
    Ich hoffte, Dr. Tovar über den Weg zu laufen, damit ich ihn nach der Blutprobe fragen konnte, aber um Viertel nach fünf verdrängte der Wunsch, nach Hause zu kommen – oder vielleicht auch die Nervosität bezüglich meines Heimwegs, die durch den Spaziergang mit Olympio wieder aufgeflammt war –, die Neugier für heute aus meinem Gedächtnis. Der rationale Teil in mir war sowieso der Meinung, dass ich überreagierte und einfach noch zu sehr auf jene mysteriösen Dinge gepolt war, die in meinem früheren Leben eine Rolle gespielt hatten. Und was Santa Muerte anging: Die alte Frau war nicht zurückgekommen. Natürlich könnte ich ein Mitglied der Drei Kreuze aufstöbern

Weitere Kostenlose Bücher