Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
Vom Netzwerk:
in meinem ehemaligen Krankenhaus.«
    »Waren sie wegen dem Blut da?«, riet Olympio.
    »So was in der Art.« Ich packte den Rest meines Burritos ein; mir war der Appetit vergangen. »Ich wurde gefeuert, und jetzt weiß ich nicht mehr, wo sie sind.«
    »Aber du suchst doch nach ihnen. Warum?«
    »Dass ich dir das verraten würde, habe ich aber nicht versprochen«, wehrte ich ab und legte den Burrito neben mich. »Du bist dran. Werden die Reinas wirklich von einer Königin regiert?«
    Er riss die Augen auf und grinste breit. »O ja, aber niemand weiß, wie sie aussieht!«
    »Tatsächlich?«
    »Na ja, sagen wir: Niemand hat sie gesehen und es überlebt. Sie ist wie ein Geist.« Er musterte mich prüfend. »Oder vielleicht … wie ein Vampir? Die Zähne und das Blut der Reinas – ist es das, was du denkst?«
    Ich zuckte möglichst geheimnisvoll mit den Schultern und versuchte so zu tun, als wüsste ich mehr, als tatsächlich der Fall war. Gleichzeitig flehte ich stumm, er möge weitersprechen. »Sag du es mir.«
    »Wow, Moment mal.« Er stellte seinen Becher ab. »Dann wären die ganzen Geschichten also wahr! Die Leute behaupten, sie habe die gesamte Gang der Port Boyz in einer einzigen Nacht umgebracht; so sind die Reinas an ihr Revier gekommen.«
    Falls, und zwar ein großes Falls, das stimmte, klang es ganz nach einem Vampir. Ich konnte fast schon sehen, wie all die Geschichten, die Olympio gehört hatte, in seinem Kopf immer bombastischer wurden, wie ein Schneeball, der einen Abhang hinunterrollt.
    »Es heißt, sie habe ihnen die Köpfe abgerissen. Das habe ich nicht geglaubt – wie soll denn eine Frau jemandem den Kopf abreißen? Aber …«
    Ich hob beschwichtigend die Hände, damit er sich nicht total verrannte. »Die Leute erfinden immer eine Menge dazu. Und es geht doch nur darum, dass die anderen Angst vor einem haben, oder nicht?«
    Abrupt klappte sein Mund zu. Er behielt den Rest seiner haarsträubenden Geschichten für sich und nickte nur. »Ja, stimmt.«
    Schweigend wandten wir uns wieder dem Essen zu. Die Sonne brannte vom Himmel, und es war sehr still. In dem Laden an der nächsten Ecke kamen und gingen vereinzelt Kunden, und hinter uns war das Summen leiser, unverständlicher Gespräche zu hören, doch abgesehen davon schienen wir hier draußen völlig allein zu sein, Olympio, ich und ein paar tapfere Ameisen.
    Und dieses Stöhnen aus dem Abfluss auf der anderen Straßenseite.
    »Du kannst mir doch nicht erzählen, dass du das nicht hörst!«, schimpfte ich.
    »Was denn?«
    Abgesehen von den Geräuschen der Helfer, die aus der Klinik zu uns drangen, war es vollkommen still.
    »Das!« Ich zeigte in die Richtung, aus der es zu kommen schien, also auf den Abflusskanal. »Vielleicht ist es ja mein Geist. Oder die Königin.« Ich warf Olympio einen vielsagenden Blick zu.
    Der schien angestrengt zu lauschen. Er lehnte sich sogar nach vorne und legte den Kopf schief. »Nichts.« Ich hörte es wieder.
    »Komm schon, wozu hast du denn deine curandero -Kräfte, wenn du das nicht hörst?«, beschwerte ich mich, doch das Stöhnen hatte bereits wieder aufgehört, und Olympio schüttelte den Kopf.
    Ich stand auf und trat auf die Straße, um zu sehen, ob gerade eine Hochbahn vorbeifuhr. Vielleicht war es der Fahrtwind? Oder das Geräusch der Räder auf den Schienen, das irgendwie ein Echo erzeugte? Da war es wieder. Stumm deutete ich auf den Abfluss, und Olympio verzog das Gesicht. Doch dann nickte er langsam.
    »Okay, das ist gruselig.« Er stopfte sich die restlichen Chips in den Mund und stellte sein Getränk ab.
    Ich ging näher ran und hockte mich neben den Abfluss. »Ist da unten jemand?«
    »¿Aquí abajo?«, schallte es zurück.
    »Das ist zwar gruselig, aber nicht …«, begann Olympio und kam zu mir.
    »Pero no es …«, lautete die Antwort aus der Tiefe, aber mit einer anderen Stimme. Dann ertönte etwas, das wie ein Schluchzen klang. Wir wichen beide zurück, hörten aber deutlich, wie jemand weinte, oder schluchzend versuchte, die Tränen zu unterdrücken.
    »Wir müssen da runter«, stellte ich fest.
    Energisch schüttelte Olympio den Kopf. »Ruf besser die Polizei.«
    Ich kniete mich wieder vor den Abfluss. »Können Sie mich hören?« Das Weinen wurde lauter. »Olympio, wie kommen wir da runter?«
    Hastig hielt er mir den Mund zu. »Verrate ihr doch nicht meinen Namen!«
    »Tut mir leid.« Ich erhob mich und klopfte mir den Staub von den Knien. Irgendwie musste man doch da runterkommen. »Zeig es mir,

Weitere Kostenlose Bücher