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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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bitte.«
    »Wir können es doch den anderen sagen …«, schlug er vor und zeigte Richtung Klinikeingang.
    »Es war schon schwer genug, dich dazu zu bringen, dass du mir glaubst«, wandte ich ein. »Und wie oft kommt die Polizei, wenn man sie hier ruft?«
    Stumm blickte er zwischen mir und dem Abfluss hin und her, aus dem noch immer schluchzende Laute drangen. »Na gut. Ich werde es dir zeigen, aber das war’s dann auch.«

Kapitel 18
     
    Wir gingen erst ein Stück Richtung Hochbahn, dann bogen wir links ab, und Olympio blieb vor der Apotheke stehen. »Wir brauchen fünf Dollar.«
    Da ich ihm in dieser Situation besser nichts abschlug, gab ich ihm das Geld, das ich für mein Frühstück eingeplant und nicht gebraucht hatte.
    »Gut, warte hier«, befahl er und betrat allein das Geschäft. Ich blieb in der brütenden Hitze zurück. Als mir schon der Verdacht kam, er könnte mich reingelegt haben und durch den Hinterausgang verschwunden sein, kehrte Olympio zurück. »Hier.«
    Er zeigte mir eine kleine Taschenlampe, schon ausgepackt und mit Batterien versehen, und gab mir das Wechselgeld zurück. Ich stopfte es in meine Tasche, während er wieder die Führung übernahm.
    Wir gingen durch einige schmale Querstraßen, zwischen Gebäuden hindurch und wieder durch eine Gasse, dann erweiterten sich die Rinnsteine plötzlich zu einem breiten, vollbetonierten Graben, der aussah wie ein Trampelpfad für Riesen. Rechts und links davon standen improvisierte Zelte aus verschiedensten Planen. Wir schoben uns hastig zwischen ihnen hindurch, doch ihre Bewohner schienen alle zu schlafen. »Das ist Tecato Town«, erklärte Olympio. » Tecatos sind …«
    »Ich weiß, was tecatos sind.« Wir erreichten die mit Graffiti beschmierte Rampe und liefen sie hinunter. Ich war froh, dass ich mich am Morgen für Turnschuhe entschieden hatte. Überall lagen Glasscherben herum – ich wünschte mir meine Einweghandschuhe herbei. »Kann dein Großvater sie nicht heilen?«
    Olympio stieß ein nachdenkliches Brummen aus. »Nein, ich glaube nicht. Um geheilt zu werden, muss man es auch wollen. Und mir ist noch nie ein tecato begegnet, der das so richtig gewollt hätte. Irgendwie sind die alle in ihre Droge verliebt. Warum fragst du?«
    Ich sah zu den Zelten hinauf, die langsam über uns verschwanden. »Mein Bruder … er könnte auch dort oben schlafen.« Was er wahrscheinlich nicht tat, sondern in einem Obdachlosenasyl, aber bei unserer letzten Begegnung hatte ich ihn auch nicht gefragt, wo er zurzeit untergekommen war. Und zwar absichtlich nicht. Mir rutschte der Fuß weg, und fast hätte ich mich mit der Hand abfangen müssen. »Ah!«
    »Dann ist er dein Geist. Er verfolgt dich.« Olympio hatte das Ende der Rampe erreicht und fing den Schwung mit ein paar schnellen Schritten ab. Hier klebte Matsch auf dem Zementboden. Ich folgte ihm, wenn auch weniger elegant. »Vielleicht solltest du wirklich mal zu meinem Großvater gehen. Deinem Bruder kann er vielleicht nicht helfen, aber dir.«
    »Und warum brauche ich Hilfe?«
    »Er verfolgt dich, durch die Sorgen, die du dir machst. Er verursacht dein susto und raubt dir den Geist.«
    Ich schnaubte abfällig. »Dann susto -t er mich aber schon seit Jahren.« Fast hätte ich ihm das mit meiner Mom erzählt, hielt mich aber im letzten Moment zurück. Er war noch ein Kind; ich sollte ihn nicht mit meinen Problemen belasten. »Warum schlafen die nicht hier unten?«, fragte ich, nachdem wir wieder flachen Boden erreicht hatten.
    »Blitzfluten, die schwemmen alles weg. Uns auch, falls es jetzt anfängt zu regnen.«
    Na ja. Heute war es zwar schwül, wie immer eigentlich, aber die Sonne schien. Vor uns lagen drei runde Tunneleingänge aus Metall, die mit einem sichtbaren Gefälle unter die Straße führten.
    »Als Kind habe ich hier gespielt, wie alle anderen auch. Die Kleinen erzählen sich gegenseitig Gruselgeschichten von La Llorona , der Weinenden. Die Mütter versuchen so, sie von hier fernzuhalten. Und wenn man älter ist, nimmt man andere Kinder mit hierher, um sie zu verprügeln.« Wir betraten die Tunnel. »Auf der anderen Seite der Stadt ist ein Abfluss. Ich weiß, wo er rauskommt, aber ich bin nie bis ganz zum Ende gegangen.« An den Tunneleingängen prangten ebenfalls Graffitis, und der Boden war mit Glasscherben und Steinen übersät. Ich entdeckte sogar die orangefarbene Schutzkappe einer Insulinspritze.
    Olympio fuhr fort: »Hier unten hallt es ganz schrecklich. Bestimmt spukt es auch. Aber als du

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