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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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während Olympio uns nach draußen führte, einen quälenden Schritt nach dem anderen über den knirschenden, verdreckten Boden, mit der nassen Frau auf meinem Rücken, die meine Klamotten durchweichte.
    Um eine Ecke noch, dann sahen wir den Ausgang. Die Sonne strahlte wunderschön, und der Luftzug, der uns streifte, war so frisch und rein, dass es mir völlig egal war, wie heiß er war – die Freiheit war zum Greifen nah.
    »No quiero ir por ahí.«
    »Sie sagt, sie will da nicht rausgehen«, erklärte mir Olympio, was mich dann doch dazu zwang, den Mund aufzumachen.
    »Sag ihr, dass sie hier unten sterben wird«, murmelte ich durch möglichst fest geschlossene Lippen, während ich sie wieder einen Schritt weiterhievte.
    »Odio el mundo, me darè la bienvenida a la muerte.«
    »Sie meint, das wäre schon okay. Und dass sie diese Welt sowieso nicht mag.«
    In diesem Moment konnte ich ihr da eigentlich nur zustimmen, aber sie in einem Rinnstein verrecken zu lassen, war einfach keine Option.
    »Sag ihr, dass ich eine schrecklich gemeine Frau bin, die ihren faltigen Hintern so oder so da rausschleppen wird. Aber lass es etwas netter klingen.«
    Olympio schnaubte belustigt, befolgte dann aber wohl meine Anweisung. Die Alte hörte nicht auf, sich zu sträuben, und so zog ich sie trotz ihres erbitterten Widerstands hinaus ins Licht.
    Gott sei Dank, wir waren frei. Einen Moment lang stand ich reglos da und atmete so tief wie möglich die frische Luft ein. Dabei ließ ich meine Last nicht los – was weniger daran lag, dass ich befürchtete, sie könnte wieder in ihre Abflusshöhle zurückkriechen. Vielmehr wusste ich, dass ich mich niemals dazu überwinden könnte, sie noch einmal zu berühren, wenn ich sie jetzt freigab.
    »Was nun?«, fragte Olympio.
    Gute Frage. Die Wände der Abflussrampe waren steil, und ich mochte ja zäh sein, aber so stark war ich definitiv nicht. »Irgendwelche genialen Einfälle?«
    »Warte hier.« Olympio steckte die Taschenlampe ein und kletterte mühelos die Wand hinauf. Die Alte führte fast schon im Plauderton Selbstgespräche. Wie alt sie wohl war? Alte Menschen konnten schnell dehydrieren, und dann wurden sie allein durch den Flüssigkeitsmangel schon wirr im Kopf. Oder durch Harnweginfektionen: Dank denen wurden aus einem normalen alternden Menschen ganz schnell Demenzfälle. Da konnte man nur einen Zugang legen und ihnen Flüssigkeit zuführen, allerdings nicht so viel, dass Lunge oder Nieren überflutet wurden, da die vielleicht auch nicht mehr so ganz fit waren. Die Behandlung älterer Patienten war immer schwierig, und hier unten konnte ich sowieso überhaupt nichts für sie tun.
    Als Olympio zurückkam, schob er einen Einkaufswagen vor sich her. Nur mit Mühe gelang es ihm, das Gefährt so abzubremsen, dass es am Fuß der Rampe nicht gegen die Betonmauer knallte. Dann rollte er es mit quietschenden Rädern zu uns herüber.
    »Leg sie hier rein, dann können wir sie hochschieben.«
    Natürlich sträubte sie sich wieder, diesmal auch gegen Olympio, der mir dabei half, sie in den Einkaufswagen zu hieven. Anschließend beförderten wir sie mit vereinten Kräften – ich schob, er zog – die Rampe hinauf, bis wir endlich waagerechten Boden unter den Füßen hatten. Während wir die Alte Richtung Klinik schoben, schickte ich ein Stoßgebet zum Himmel, dass Dr. Tovar noch nicht nach Hause gegangen sein möge.

Kapitel 19
     
    Ich hatte Glück, er war noch da.
    Nachdem ich die Frau im Warteraum abgestellt und nach hinten geflüchtet war, erzählte Olympio ihm die ganze Geschichte. Zwar hatte ich keine Ersatzklamotten dabei, um mich umzuziehen, aber trotzdem wusch ich mich, so gut das in dem kleinen Badezimmer eben ging. Ich seifte mich bis zu den Schultern ein, schrubbte mein Gesicht, spritzte mir Wasser auf den Hals. Sie hatte mir ordentlich den Hals zerkratzt. Mein Nacken und meine Schultern waren so gerötet, dass ich die Abschürfungen nicht mehr von den Kratzwunden unterscheiden konnte. Zweimal seifte ich den Bereich ein und spülte ihn ab. Ich ekelte mich davor, mein Oberteil wieder anzuziehen – am liebsten hätte ich es verbrannt.
    Jemand klopfte an die Badezimmertür. »Brauchst du ein frisches T-Shirt?«, fragte Hector von draußen.
    Ich riss die Tür einen Spalt weit auf und schob meinen Arm hinaus. »Ja, bitte.« Er drückte es mir in die Hand, und ich streifte es über. Es roch ein wenig nach Männerdeo, als wäre es bereits getragen oder zumindest neben einem getragenen

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