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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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County gebracht hatten, würden das auch nicht so schnell ändern.
    Sobald sie fort war, entsorgte Hector ihre Decke. Irgendwie tat es mir leid, mit ansehen zu müssen, wie er ihren wohl einzigen Besitz in die Mülltonne warf, aber wir konnten das Ding unmöglich behalten; es war die reinste Petrischale. Im Stillen schwor ich mir, ihr eine neue zu kaufen, falls ich sie jemals wiedersehen sollte. Aber nun würde sie wohl erst mal einige Wochen im County bleiben, wo sie intravenös mit Antibiotika und Schlafmitteln versorgt wurde und wahrscheinlich Fixiergurte an ihrem Bett befestigt waren.
    Anschließend machten wir Feierabend, und Hector schloss die Türen ab. Er brachte mich noch zur Haltestelle. »Du solltest eine antibiotische Salbe auf deine Wunden geben und den Verband regelmäßig wechseln«, wies er mich an.
    »Hey, ich bin Krankenschwester, schon vergessen?« Er warf mir einen Blick zu, der deutlich machte, dass ich mich an diesem Nachmittag ganz und gar nicht wie eine verhalten hatte. »Okay, okay, ich mach’s ja. Und ich werde dein T-Shirt waschen und es dir so schnell wie möglich zurückgeben.«
    »Mach dir deswegen keinen Kopf, sorg einfach dafür, dass du bald wieder fit bist. Du solltest mich anrufen, falls sich der Zustand der Wunden verändert.« Er klopfte seine Taschen ab, bis er eine Visitenkarte fand, die er mir überreichte.
    Mir waren schon auf weniger romantische Weise Telefonnummern anvertraut worden, wenn auch nicht oft. Ich verzog das Gesicht und steckte die Karte ein.
    Als ich nach Hause kam, war es gerade mal fünf Uhr, und trotzdem war ich völlig erschöpft. Nach zwei Tagen Malerarbeiten und dem Kriechgangtrip durch die Hochwassertunnel tat mir nicht nur der zerkratzte Hals weh.
    Ich duschte ausgiebig, doch jeder Wassertropfen, der auf die Wunden prallte oder daran herablief, brannte höllisch. Während ich mir unter Verwendung eines halben Pfunds Seife den restlichen Schmutz abwusch, wurde mir schwindelig.
    Anschließend schmierte ich antibiotische Salbe auf die Wunden und verband sie mit den Vorräten, die ich bei meinem letzten Job gemopst hatte, dann kroch ich ins Bett, um ein Nickerchen zu machen. Ich stellte mir sogar ganz brav den Wecker.
    Als ich aufwachte, lag Minnie schnurrend an meiner Seite. Wie immer begann ich sie zu streicheln, noch bevor ich ganz wach war – bis mir klar wurde, dass draußen Dunkelheit herrschte. Am liebsten hätte ich mir einen Tritt verpasst. Da machte ich mir die Mühe, mich wieder auf Tagesrhythmus umzustellen, und jetzt würde ich doch wieder die ganze Nacht wach sein.
    Und was noch schlimmer war: Ich hatte das Essen mit Mom verpasst. Mist. Mist, Mist, Mist verdammter.
    Hektisch schaute ich auf mein Handy: zehn Uhr abends. Zu spät, um noch anzurufen. Aber natürlich hatte sie mich angerufen und schließlich eine besorgte SMS geschickt. Ich überprüfte die Klingeltonlautstärke – alles wie immer. Was bedeuten musste, dass ich ihre Anrufe ordentlich verschlafen hatte. Sollte ich ihr eine SMS schicken? Oder Peter? Was tun? Verdammter Mist!
    In der Hoffnung, dass einer der beiden morgens das Postfach überprüfte, schickte ich eine E-Mail. Unter normalen Umständen würden sie früh aufstehen, um zur Messe zu gehen. Doch jetzt, da Mom nicht in der Verfassung war, das Haus zu verlassen, würde sie sich bestimmt einen dieser Fernsehprediger ansehen.
    Die Zeit, die mir mit meiner Mutter noch blieb, war begrenzt – es sei denn, es gelang mir, einen Vampir aufzutreiben. Und zwar einen, der mich nicht gleich umbringen wollte, wodurch Dren bereits ausschied. Mist!
    Und mein Hals tat immer noch verflucht weh. Mühsam schleppte ich mich ins Badezimmer. Dort stolperte ich und stieß mir die Zehen an. Verdammter Mist!
    Vielleicht würde Gott mich ja besser behandeln, wenn ich weniger fluchte. Andererseits würde ein fairer Gott meine Mutter auch nicht mit Brustkrebs schlagen, oder?
    Seufzend ließ ich mich im Bad auf den Boden gleiten. Ich konnte mich nicht im Spiegel ansehen. Ja, mein Hals war verletzt, aber mein Stolz ebenfalls. Was tat ich hier eigentlich? Wie ein irrer Schmetterlingssammler jagte ich der flatternden Hoffnung hinterher, meine Mutter könnte geheilt werden. Und jedes Mal, wenn ich dachte, ich würde eine Lösung erwischen, ging ich leer aus. Oder meine Träume wurden grausam zunichtegemacht, was sogar noch schlimmer war.
    Vielleicht sollte ich den Job in der Klinik kündigen und das bisschen Zeit, das uns noch blieb, mit ihr verbringen.

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