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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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Da ich nicht mehr stehen wollte, ging ich ein paar Schritte rückwärts und lehnte mich gegen die Wand. Tis bernsteinfarbene Augen behielten mich immer im Blick. Wütend, vorwurfsvoll, ängstlich? Das war unmöglich zu sagen. Irgendwann schlossen sie sich und sein gesamter Körper erschlaffte.
    Als der curandero Ti genug mit seinen Kräutern traktiert hatte, zündete er sie an und legte sie in eine Metallschale. Wann gab es hier wohl die letzte Brandschutzkontrolle?, fragte ich mich düster. Dann holte der alte Mann ein weißes Ei hervor.
    Mich überraschte schon, dass es nicht bereits schwarz war. Diesen Teil des Rituals hatte ich für einen Taschenspielertrick gehalten – und es konnte auch immer noch einer sein, wie mir jetzt klar wurde. Ich behielt das Ei ununterbrochen im Auge, während der curandero es über Tis Körper schwenkte und immer lauter betete, als könne er Montalvos Einfluss vertreiben, indem er ihn anschrie.
    Mit einem Ellbogen stupste ich Olympio an. »Was soll das alles?«
    »Es ist dasselbe, was er auch bei dir gemacht hat. Mein Großvater zieht die schlechte Energie aus ihm heraus und bannt sie in das Ei.«
    »Das arme Ding.«
    »Besser das Ei als wir. Irgendwo muss die Energie nun mal hin.«
    Die von den Kerzen erhitzte Luft und der endlose Gebetssingsang weckten in mir das Gefühl, gleich zu ersticken. Aber ich wollte auch nicht die Zeremonie stören. O Mann, glaubte ich jetzt echt an Magie? Im Krankenhaus hatte ich solche Leute immer verachtet, wenn sie mit ihren Kristallen kamen und die Krankenzimmer ihrer Freunde mit tibetanischen Gebetsfahnen schmückten.
    Dabei störte mich weniger dieser ganze Krimskrams, sondern mehr der Menschentyp, der aus vollem Herzen an so etwas glaubte und versuchte, andere zu ihrem tantrischen Singsang-Lebensstil zu bekehren. Wenn man auf einem Gebiet arbeitet, das sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützt, werden solche Menschen schnell zur Landplage. Dabei waren sie eigentlich noch gar nichts – verglichen mit den Patienten, die an die richtig schrägen Sachen glaubten: Wasser sei giftig, und die Mücken zeichneten ihre Gespräche auf. Offenbar waren die Gehirne mancher Menschen aufgrund von Dummheit, Schädigungen oder Drogenmissbrauch regelrecht porös, und wenn sich darin einmal ein dämlicher Gedanke festgesetzt hatte, war er unmöglich wieder rauszubekommen.
    Doch Magie gab es tatsächlich. Die Vampire, Form-und Gestaltwandler hätte ich ja noch als alternative Lebensformen abtun können. Aber was Ti am Leben erhielt, war echte Magie – immerhin war er bereits seit dem Bürgerkrieg unterwegs – angetrieben von dieser Magie und der vagen Hoffnung, dass er eines Tages wieder glücklich werden könnte, auch wenn er damit vielleicht lange warten musste. Irgendwie erinnerte er mich in diesem Punkt an meine Mom. Mit einem leisen Lachen musterte ich ihn, und plötzlich schlug er die Augen auf.
    Der curandero schüttete etwas auf die Kräuter in der Metallschale, die er vor Tis Füßen abgestellt hatte. Es musste wohl purer Alkohol sein, denn von den glimmenden Stängeln stieg plötzlich eine Stichflamme auf. Zum Glück gab es hier keinen Rauchmelder, außerdem war Ti früher einmal Feuerwehrmann gewesen.
    »Bist du okay?«, flüsterte ich und hoffte, er könnte es mir von den Lippen ablesen. Ti reagierte nicht. Die Gebete des alten Mannes wurden leise und eindringlich, schwollen dann an und beruhigten sich wieder, wie Meeresbrandung aus Worten. Plötzlich sprang er vor und presste das Ei gegen Tis Stirn.
    Zuerst dachte ich, es wäre der Rauch von dem kontrollierten Zimmerbrand, als sich eine schwarze Wolke über das weiße Ei legte. Dann veränderte es sich, als würde es in Farbe getaucht: Erst wurde es leicht gräulich, dann immer dunkler, bis die Schale rabenschwarz war.
    Olympio stürmte an mir vorbei in das Hinterzimmer und kehrte mit einem frischen Ei zurück. Hastig reichte er es seinem Großvater und legte das geschwärzte Exemplar in die rußverschmierte Metallschale. Ich hätte schwören können, dass es sich bewegte.
    Und es war tatsächlich schwarz. Während ich mich mit dem Rücken zur Wand hinhockte, versuchte ich zu entschlüsseln, wie der curandero das gemacht hatte.
    Inzwischen wechselte auch das zweite Ei die Farbe. Olympio holte ein drittes und legte das zweite in die Schale, wo es sich langsam um die eigene Achse drehte. Die Hände des alten Mannes begannen zu zittern, während er das dritte Ei einsetzte.
    Ti beugte sich vor und

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