Diamantene Kutsche
auf etwas Heißes, Glattes, Lebendiges.
Eine heisere Stimme sagte: »Ich dachte schon, du kommst nie herein …«
Das Laken raschelte; sanfte, aber erstaunlich starke Arme legten sich um Fandorins Hals.
Der Geruch nach Haut und Haaren verursachte ein wildes Pochen in Fandorins Schläfen.
»Woher haben Sie …«, flüsterte er keuchend und verstummte – heiße Lippen verschlossen ihm den Mund.
Weiter wurde im Schlafzimmer kein Wort gesprochen. In dem Reich, in das die weichen Hände und die duftenden Lippen den Vizekonsul entführten, existierten keine Worte, sie wären nur hinderlich gewesen und hätten den Zauber zerstört.
Seit seinem kürzlichen Abenteuer in Kalkuttta, durch das er seinen Dampfer verpaßt hatte, hielt Fandorin sich für einen erfahrenen Mann, der bereits einiges erlebt hatte, doch in O-Yumis Armen fühlte er sich nicht wie ein Mann, sondern wie ein phantastisches Musikinstrument – eine bezaubernde Flöte, eine göttliche Geige, eine süße Schalmei, und die magische Virtuosin spielte auf allen gleichzeitig, erschloß mit irdischen Mitteln die himmlische Harmonie.
In den kurzen Pausen stammelte der Vizekonsul immer wieder Worte, doch die Antwort waren nur Küsse, sanfte Berührungen und leises Lachen.
Als das Morgengrauen streifig durchs Fenster hereindrang, tauchte Fandorin mit unglaublicher Willensanstrengung halb aus dem Rausch auf. Seine Kraft reichte nur für eine einzige Frage – die wichtigste, alles andere war ohne Bedeutung. Er nahm ihr Gesicht in die Hände, so daß ihre riesigen, von geheimnisvollem Licht erfüllten Augen ihm ganz nahe waren.
»Bleibst du bei mir?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Aber … Aber du kommst wieder?«
O-Yumi nahm sein Gesicht, umkreiste mit den Fingern sanft seine Schläfen, drückte leicht darauf, und Fandorin schlief augenblicklich ein, ohne es zu merken. Er sank in tiefen Schlaf und spürte nicht mehr, wie ihre Hände seinen Kopf zärtlich aufs Kissen betteten.
In diesem Augenblick träumte er bereits: Er jagt in einer himmelblauen,eisglitzernden Kutsche am Himmel entlang und steigt immer höher und höher. Er ist unterwegs zu dem Stern, der seine durchsichtigen Strahlen der Diamantenen Kutsche entgegenschickt. Kleine goldene Sterne rasen vorbei und kühlen sein Gesicht mit frischem, frostigem Wind. Fandorin fühlt sich sehr wohl, und er weiß, daß er auf gar keinen Fall zurückschauen darf – sonst stürzt er ab und zerschellt.
Aber er dreht sich nicht um. Er jagt voran und immer höher, dem Stern entgegen.
Der Stern heißt Sirius.
Er strahlt und weiß nicht
Seinen eigenen Namen,
Der Stern Sirius.
Pferdemist
Fandorin erwachte, weil ihm jemand sanft, aber hartnäckig auf die Wange klopfte.
»O-Yumi«, flüsterte er und sah tatsächlich ein Gesicht mit schrägen Augen vor sich, doch es war leider nicht seine nächtliche Verführerin, sondern der Schreiber Shirota.
»Ich bitte um Verzeihung«, sagte Shirota, »aber Sie wollten partout nicht aufwachen, ich habe mir schon Sorgen gemacht …«
Fandorin setzte sich auf und sah sich um. Die schrägen Strahlen der Morgensonne beleuchteten sein Schlafzimmer. Keine Spur von O-Yumi oder ihrer kürzlichen Anwesenheit.
»Herr Vizekonsul, ich bin bereit, Ihnen Bericht zu erstatten«, begann Shirota, ein Papier in der Hand.
»Ja, ja, natürlich«, murmelte Fandorin und schaute unter die Decke.
Das Laken war zerknüllt, aber das hatte nichts zu bedeuten. Vielleicht war irgendwo ein langes Haar zurückgeblieben, ein Krümel Puder, eine rote Lippenstiftspur?
Nichts.
Hatte er nur geträumt?
»Gemäß Ihren Anweisungen habe ich mich im Gebüsch versteckt, an der Weggabelung. Um zwei Uhr dreiundvierzig kam vom Ödland her eine Gestalt gelaufen …«
»Riechen Sie mal!« unterbrach ihn Fandorin, die Nase im Kopfkissen. »Was ist das für ein Duft?«
Der Schreiber nahm das Kissen und sog gehorsam den Geruch ein.
»Das ist Ayame. Wie heißt das auf Russisch? Iris.«
Ein glückstrahlendes Lächeln erhellte Fandorins Gesicht.
Er hatte nicht geträumt!
Sie war hier gewesen! Das war der Duft ihres Parfüms!
»Iris ist der Duft der Saison«, erklärte Shirota. »Frauen benutzen ihn als Parfüm, in den Wäschereien tränkt man die Wäsche damit. Im April war die Glyzinie Duft der Saison, im Juni ist es die Azalee.«
Fandorins Lächeln erlosch.
»Kann ich fortfahren?« fragte der Japaner und gab ihm das Kissen zurück.
Er berichtete weiter. In der nächsten Minute vergaß Fandorin den
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