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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Trottel machen lassen, und genau das hatte der hinterhältige Suga mit dem Leiter der konsularischen Ermittlungen getan. Ein Kätzchen, das einem Wollknäuel nachspringt?
    »Nun, das werden wir noch sehen«, murmelte Fandorin auf Russisch.
    »Ich kenne Sie bereits gut genug. Sie werden über Vize-Intendant Suga nachdenken, und Ihnen wird bestimmt etwas einfallen. Wenn es soweit ist, lassen Sie es mich wissen. Aber kommen Sie nicht zu mir aufs Revier. Durchaus möglich, daß einer meiner Leute …« Er seufzte tief und ließ den Satz unbeendet. »Wir werden uns schriftlich verständigen. Wenn wir uns treffen müssen, dann an einem ruhigen Ort, ohne Zeugen. Zum Beispiel in einem Hotel oder einem Park. Abgemacht?«
    Das amerikanische »Is it a deal?« und die ausgestreckte Hand paßten irgendwie nicht zu Asagawa. Das hat er sich bestimmt vonLockstone abgeguckt, dachte Fandorin, während sie ihre Abmachung mit einem Händedruck besiegelten.
    Der Inspektor verbeugte sich tief, drehte sich um und verschwand ohne ein weiteres Wort.
    Der Japaner kannte seinen russischen Mitstreiter schon recht gut. Fandorin ging in der Tat unverzüglich daran, über den Vize-Intendanten der Polizei nachzudenken, der vorsätzlich und hinterhältig einen großen Mann getötet hatte, den vor seinen zahlreichen Feinden zu schützen seine Pflicht gewesen wäre.
    Wie der treulose Verräter zu überführen sei, überlegte Fandorin vorerst nicht. Zuerst wollte er begreifen, was für ein Subjekt dieser Suga Kinsuke war. Dafür mußte er seine Handlungen rekonstruieren, denn diese charakterisieren eine Persönlichkeit am zuverlässigsten.
    Also, der Reihe nach.
    Suga war an der Verschwörung gegen den Minister beteiligt, hatte sie womöglich sogar geleitet. Jedenfalls liefen bei ihm die Fäden der Kampfgruppen zusammen, die Jagd auf den Diktator gemacht hatten. Am Abend des achten Mai erfährt der Vize-Intendant auf dem Ball von Don Tsurumaki, daß die Gruppe des Krüppelarmigen entdeckt ist. Die alarmierende Nachricht vor seinem Chef geheimzuhalten ist unmöglich, das wäre unweigerlich herausgekommen. Suga geht anders vor, auf paradoxe Weise: Er ergreift die Initiative, sorgt dafür, daß Okubo strenge Sicherheitsmaßnahmen akzeptiert, und es ergibt sich ganz zwangsläufig, daß er, Suga, mit der obersten Aufsicht über die Ermittlungen betraut wird. Das ermächtigt ihn, vom Chef des Polizeireviers in Yokohama ausführliche Meldungen über sämtliche Pläne der Ermittlungsgruppe zu verlangen, was keinerlei Verdacht erregt. Eifrig, konsequent und ohne Scheu vor Risiken bemüht sich der Vize-Intendant, seine Mitverschwörer vor der Verhaftung zu bewahren. Am neunten Mai informiert er den Gesichtslosen, den Meistergeheimer Künste, über die Indizien, die die Ermittler haben. Am zehnten Mai warnt er den Krüppelarmigen rechtzeitig vor dem Hinterhalt. Er hat die Lage vollkommen unter Kontrolle. Noch ein paar Tage, und der ungeduldige Okubo wird aufbegehren und die Leibwächter, die Ermittlung und den besorgten Vize-Intendanten zum Teufel jagen. Dann hätten die Verschwörer zum entscheidenden Schlag ausgeholt und den Minister von allen Seiten gehetzt wie einen Bären.
    Doch da kam etwas Unvorhergesehenes dazwischen, in Gestalt des Vizekonsuls Fandorin. Am dreizehnten Mai gerät die Gruppe des Krüppelarmigen und mit ihr auch der Verbindungsmann, der Bucklige, in eine Falle. Wie reagiert Suga? Er schwingt sich erneut auf den Kamm der bedrohlichen Welle: Er übernimmt die Leitung der Operation zur Ergreifung der Truppe des Krüppelarmigen und sorgt dafür, daß kein einziger der gefährlichen Zeugen lebend gefaßt wird. Das eigentliche Kunststück aber ist die geschickte Wende, die er der schon halb verlorenen Partie gibt. Er benutzt den Untergang der einen Verschwörergruppe, um den Diktator in die Messer einer anderen zu locken! Ein wahrhaft glänzender Schachzug.
    Was folgt aus all dem?
    Er ist ein kühner, zielstrebiger Mann von raschem, scharfem Verstand. Und was die Ziele angeht, so ist er mit Sicherheit überzeugt, im Recht zu sein. Was läßt sich aus dem persönlichen Umgang hinzufügen? Ein beachtliches administratives Talent. Charme.
    Absolut mustergültig, dachte Fandorin ironisch. Bis auf zwei kleine Schönheitsfehler: berechnende Grausamkeit und Verrat. Bei allem Glauben an die Richtigkeit seines Handelns – einem Mann, der einem vertraut, ein Messer in den Rücken zu jagen, ist abscheulich.
    Von diesem psychologischen Porträt ging

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