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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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sich der Japaner auf den Boden. Die Hände aufgestützt, schlug er dumpf immer wieder mit der Stirn auf den Teppich.
    Fandorin riß sich die Serviette herunter und sprang auf.
    »Was soll das?«
    »Sie hatten recht, mir zu mißtrauen«, sagte Asagawa knapp, ohne den Kopf zu heben. »Ich bin an allem schuld. Der Minister ist durch meine Schuld gestorben.«
    Trotz der reuigen Pose sprach er klar und fest, ohne die verschnörkelten Höflichkeitsformeln, die er sonst benutzte.
    »Was, was? Nun lassen Sie d-doch Ihre japanischen Zeremonien! Stehen Sie auf!«
    Asagawa erhob sich nicht, richtete sich aber wenigstens auf und legte die Hände auf die Knie. In seinen Augen – das sah Fandorin nun deutlich – loderte verhaltenes Feuer.
    »Erst war ich beleidigt. Ich dachte: Wie konnte er es wagen, die japanische Polizei zu verdächtigen! Vermutlich war die undichte Stelle bei den Ausländern selbst, denn bei uns herrscht Ordnung, bei ihnen dagegen nicht. Aber heute, als die Katastrophe geschehen war, gingen mir die Augen auf. Ich sagte mir: Sergeant Lockstone und der russische Vizekonsul können zwar den falschen Leuten gegenüber den Mordzeugen erwähnt haben, den Hinterhalt im Godaún, die Fingerabdrücke, aber woher sollten sie wissen, wann genau die Leibwache des Ministers abgezogen wird und wohin er heute morgen fahren würde?«
    »Reden Sie weiter, reden Sie!« ermunterte ihn Fandorin.
    »Wir haben nach drei Satsumaern gesucht. Aber die Verschwörer haben ihren Angriff gründlich vorbereitet. Es gab eine weitere Gruppe, aus sechs Tätern. Vielleicht sogar noch mehr, als Reserve. Warum nicht? Feinde hatte der Minister genug. Wichtig daran ist folgendes: Alle diese Fanatiker, egal, wie viele es waren, wurden von einem Zentrum aus gesteuert und handelten koordiniert. Irgend jemand versorgte sie mit präzisen Informationen. Als der Minister eine Leibwache bekam, zogen sie sich sofort zurück. Und sie schlugen zu, sobald Seine Exzellenz seine Residenz ohne Leibwache verließ. Was bedeutet das?«
    »Daß die Verschwörer ihre Informationen von jemandem aus Okubos unmittelbarer Umgebung bekamen.«
    »Genau! Von jemandem, der ihm näher war als wir beide! Und sobald ich das begriffen hatte, rückte alles an seinen Platz. Erinnern Sie sich an die Zunge?«
    »An welche Zunge?«
    »Die abgebissene! Sie ließ mir keine Ruhe. Ich weiß genau, daß ich den Hami kontrolliert hatte, das Band war vollkommen in Ordnung.Semushi hätte es unmöglich durchbeißen können, und der Knoten konnte sich nicht gelöst haben – meine Knoten lösen sich nie von allein. Ich war heute morgen im Polizeiarsenal, wo die Indizien zu diesem Fall aufbewahrt werden; Waffen, Kleider, Gebrauchsgegenstände – alles, womit wir versuchen, Identität und Verbindungen dieser Bande festzustellen. Ich habe mir den Hami genau angeschaut. Hier ist er, sehen Sie.«
    Der Inspektor zog ein hölzernes Mundstück mit Bändern daran aus der Tasche.
    »Das Band ist durchgeschnitten!« rief Fandorin. »Aber wie konnte das passieren?«
    »Erinnern Sie sich, wie es war.« Asagawa erhob sich endlich und trat neben Fandorin. »Ich kam zu Ihnen, wir standen da und redeten. Sie baten mich um Verzeihung. Und er blieb bei dem Buckligen und tat, als überprüfe er die Fesseln. Erinnern Sie sich?«
    »Suga?« flüsterte Fandorin. »Unmöglich! Er war doch mit uns zusammen, hat sein Leben riskiert! Er hat die Operation glänzend organisiert und geleitet!«
    Der Japaner lachte bitter.
    »Selbstverständlich. Er wollte an Ort und Stelle sein und sichergehen, daß wir keinen der Verschwörer lebend in die Hände bekommen. Erinnern Sie sich, wie Suga aus dem Tempel kam, auf den Buckligen zeigte und ›Hami!‹ rief? Das hat er getan, weil Semushi zögerte, sich nicht entschließen konnte …«
    »Eine V-vermutung, mehr nicht.« Fandorin schüttelte den Kopf. »Und das hier, ist das auch nur eine Vermutung?« Asagawa zeigte auf das durchtrennte Band. »Das kann nur Suga getan haben. Warten Sie, Fandorin-san, ich habe noch nicht alles gesagt. Selbst als ich diesen schrecklichen, unwiderlegbaren Beweis hatte, konnte ich noch nicht glauben, daß der Vize-Intendant der Polizei zu einem derartigen Verbrechen fähig ist. Das ist doch unbegreiflich! Also fuhr ich nach Tokio, zur Polizeiverwaltung.«
    »W-wozu?«
    »Der Chef der Schreibstube ist ein alter Freund meines Vaters, auch ein ehemaliger Yoriki. Ich ging zu ihm und sagte, ich hätte vergessen, mir eine Kopie zu machen von einem der

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