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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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dem Schwur. Zusammen mit den Zeugenaussagen von Fürst Onokoji, der nicht nur von Sugas geheimer Tätigkeit wußte, sondern auch mit Bullcocks selbst in Verbindung stand, würde das vollauf genügen. Bald würden alle wissen, warum sich der Polizeichef umgebracht hatte.
    Doch zunächst einmal mußten sie die Sache zu Ende bringen und Indizien gegen den Engländer finden. Wenn das gelang, bedeutete das eine gewaltige Blamage für Großbritannien und den vollständigen Sieg der russischen Interessen. Das war schließlich ein handfester Skandal: Der englische Resident hatte die politische Ermordung eines großen Mannes organisiert! Das konnte durchaus zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen führen.
    Wenn Bullcocks sich herauswand und unbeschadet aus dem Ganzen herauskam (sie hatten bislang nichts gegen ihn in der Hand), mußten sie sich mit der Entlarvung Sugas begnügen. Immerhin etwas.
    Sollte Fandorin Doronin Bericht erstatten oder nicht? Nein, dafür war es noch zu früh. Erst mußte er versuchen, den Ehrenwerten festzunageln, und dafür würde er sich nicht ganz diplomatischer Methoden bedienen müssen. Außerdem gab es da noch einen weiteren Umstand, der für die große Politik unerheblich, fürFandorin aber äußerst wichtig war. Über dieses delikate, zutiefst private Problem dachte er nun nach, während er aus dem Fenster sah und die in der Sonne glitzernden Reisfelder betrachtete.
    Plötzlich öffnete Asagawa die Augen und sagte nachdenklich, als habe er keineswegs geschlafen, sondern sei ebenso in analytische Gedanken vertieft gewesen: »Der Halunke Onokoji hat uns absichtlich in die Falle geschickt.«
    »Warum glauben Sie das?«
    »Es gab im Archiv keine Mappe ›Onokoji‹.«
    Fandorin kniff die Augen zusammen.
    »Sie meinen, die Shinobi haben seinen Auftrag doch vollständig ausgeführt? Sie sind ins Archiv eingedrungen und haben die Mappe mit dem Belastungsmaterial entfernt?«
    »Die Ninja haben den Hebel ganz bestimmt gefunden, das haben wir schließlich auch. Und sie sind in solchen Dingen wesentlich erfahrener und umsichtiger. Wenn sie zu zweit waren, sind sie bestimmt nicht alle beide in die Geheimkammer gegangen, sondern einer hat draußen Wache gehalten.«
    »Warum haben sie dann nicht das gesamte Archiv gestohlen? Das wäre doch ein mächtiges Instrument, um Einfluß auszuüben! Und außerdem lassen sich Geheimnisse teuer verkaufen!«
    Der Inspektor sah sein Gegenüber erstaunt an.
    »Was reden Sie da! Die Schattenkrieger töten, stehlen und spionieren, aber sie befassen sich nie mit Erpressung! Das wäre ein Verstoß gegen ihre Traditionen und ihren Ehrenkodex.«
    Fandorin hatte tatsächlich wieder vergessen, daß in Japan alle einen Ehrenkodex besaßen, selbst Verbrecher. Das hatte irgendwie etwas Beruhigendes.
    »Onokoji hat also seine M-mappe bekommen? Ja, natürlich. Sonst hätte er nicht so seelenruhig von Sugas Archiv gesprochen. Er hat sie bekommen, wollte den Momoti-Clan aber nicht dafür bezahlen. Er wußte, daß nicht er sich dafür zu verantworten hätte,sondern sein Samurai. Der Fürst hat ihn benutzt und den Ärmsten zum Tode verurteilt.«
    »Ach, lassen wir doch den Samurai!« Asagawa schwang die Faust. »Verstehen Sie denn nicht? Onokoji hat gewußt, daß wir in die Falle geraten würden, und uns nicht gewarnt. Er hat damit gerechnet, daß Suga uns vernichten wird! Ich schwöre Ihnen, ich schüttle diesem Halunken die schwarze Seele aus dem Leib!«
     
    Der Fürst hätte seine Seele ohne jedes Schütteln beinahe ganz von selbst ausgehaucht, als er vom Tod des Intendanten erfuhr.
    Lockstone klapperte noch mit dem Zellenschlüssel, Asagawa schüttelte noch drohend die Faust gegen das verschlossene Gitter, als der Fürst schon bewußtlos dalag. Nach den ersten Schreien des wütenden Inspektors (»Was ist, hast uns wohl nicht erwartet? Hast gedacht, Suga bringt uns um? Im Gegenteil!«) sprang Onokoji von der Pritsche, wurde kreidebleich und fiel in Ohnmacht.
    »Na, so was«, sagte der Sergeant verwundert. »Er war die ganze Nacht quietschvergnügt, hat französische Couplets gesungen. Und getönt, daß er am Morgen frei sein würde.«
    »Wasser«, bat Asagawa knapp.
    Er schüttete es dem Arrestanten ins Gesicht, schlug ihm auf die Wangen, und der Adelssproß kam zu sich. Schluchzte auf und klapperte mit den Zähnen.
    »Sie … Sie haben ihn getötet? Das ist mein Ende.«
    Der Fürst zitterte so heftig, daß sein Kopf auf dem dünnen Hals schwankte. Offenbar nicht nur wegen der

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