Diamantene Kutsche
sein muß. Und dann …«
Das Geschwätz soll mich ablenken, dachte Fandorin, der bemerkte, daß der Intendant ihm wie unabsichtlich immer näher kam. Er hatte die Arme leicht angewinkelt, die Hände vorgestreckt – vorgeblich zum Gestikulieren.
Genau! Er wird mich ohne Blutvergießen töten. Mit Jiu-Jitsu oder irgendeinem anderen Jitsu.
Der Vizekonsul blickte seinem Gegner ruhig ins Gesicht und nahm eine Kampfposition ein, die Masa ihn gelehrt hatte: Ein halbgebeugtes Knie nach vorn, die Arme ausgestreckt. Sugas Augen funkelten fröhlich.
»Es ist ein Vergnügen, mit Ihnen zu tun zu haben«, sagte er spöttisch und machte sich nun unverhüllt kampfbereit.
Die linke Hand hochgereckt, die Rechte angewinkelt und auf den Rücken gelegt, ein Bein angehoben – ein tanzender Schiwa.Was ist das denn wieder für ein Jitsu, fragte sich der Vizekonsul seufzend.
»Mal sehen, wie Sie sich im Zweikampf machen«, schnurrte der Polizeigeneral.
Doch zum Zweikampf kam es Gott sei Dank nicht.
In einem passenden Moment war Asagawa mit zwei Sprüngen beim Intendanten und hieb ihm den Revolvergriff gegen den Hals. Dem rasch und virtuos agierenden Yoriki zuzuschauen war eine reine Freude. Er ließ den erschlafften Körper nicht fallen, sondern zerrte ihn zum Sessel und setzte ihn hin. Mit einer einzigen Bewegung zog er das um seine Hüften geschlungene Seil heraus und fesselte Sugas Handgelenke an die Armlehnen, seine Waden an die Sesselbeine und schob ihm etwas in den Mund – den Fandorin bereits bekannten Hami. Nach knapp zwanzig Sekunden war der Gegner nach allen Regeln japanischer Polizeikunst verschnürt.
Während der Intendant mit klappernden Augen wieder zu sich kam, berieten die Sieger, was sie nun tun sollten. Den wachhabenden Offizier rufen oder lieber bis zum Morgen warten, wenn mehr Beamte im Gebäude waren? Womöglich war der Wachhabende Sugas Mann?
Ein Grunzen vom Sessel her unterbrach ihre Debatte. Der General schüttelte den Kopf – er wollte offenbar etwas sagen.
»Den Hami nehme ich nicht raus«, sagte Asagawa. »Wir machen es lieber so.« Er band den rechten Oberarm des Gefangenen an die Armlehne, so daß er das Handgelenk frei hatte. Dann schob er dem Intendanten ein Blatt Papier hin und tauchte den Federhalter in Tinte.
»Schreiben Sie.«
Suga krakelte mit kratzender Feder etwas von oben nach unten, wobei schwarze Tropfen spritzten.
»Lassen Sie mich sterben«, übersetzte der Inspektor. »Kommt gar nicht in Frage! Gemeiner Verräter! Du wirst die Schande vollauskosten, und dein abgeschlagener Kopf wird an einem Pfahl stecken.«
Fandorin war friedfertiger gestimmt, wenngleich nur unwesentlich.
»Das Schema«, erinnerte er. »Er soll sagen, wen der Hauptkreis meint, und dann mag er ruhig sterben. Wenn er es unbedingt will, bringt er sich auch im Gefängnis um, daran können Sie ihn auch nicht hindern. Er zertrümmert sich den Schädel an einer Wand wie der Krüppelarmige oder beißt sich beim ersten Verhör die Zunge ab wie der Bucklige.«
Asagawa schnaufte und holte widerwillig das Schema. Er hielt dem Intendanten das rätselhafte Blatt unter die Nase.
»Wenn du uns sagst, wer an der Spitze der Verschwörung stand, dann erlaube ich dir zu sterben. Jetzt gleich. Einverstanden?«
Nicht sofort, keineswegs sofort nickte Suga.
»Ist das ein Schema der Verschwörung?«
Pause. Nicken.
»Schreib die Namen auf.«
Er schrieb. Auf Englisch: »Just one name.«
Dabei sah er Fandorin an – dieselbe Bedingung wie vorhin, bloß mit vertauschten Rollen.
Da Fandorin spürte, daß weiterer Druck nur zum Scheitern führen würde, sagte er: »In Ordnung. Aber den wichtigsten.«
Der Intendant schloß für einige Sekunden die Augen – offenbar, um sich zu sammeln. Für den Verrat oder für den Tod. Wahrscheinlich für beides.
Er griff entschlossen zum Federhalter, tauchte ihn in die Tinte und schrieb langsam den Namen, Buchstabe für Buchstabe – diesmal weder in Hieroglyphen noch in lateinischer Schrift, sondern in Katakana, der Silbenschrift, die Fandorin bereits lesen konnte.
»Bu«, las er. Dann »ru«, »ko«, »ku«, »su«.
Bu-ru-ko-ku-su?
Bullcocks!
Aber natürlich!
Sofort rückte alles an seinen Platz, und Fandorin fiel es wie Schuppen von den Augen.
Sag, willst du wirklich,
Daß sie dir von den Augen
Fallen, die Schuppen?
Ein Wort ist ein Wort
Mit dem ersten Zug, um sieben Uhr morgens, kehrten sie nach Yokohama zurück. Diesmal scherten sie sich nicht sonderlich um Konspiration; sie
Weitere Kostenlose Bücher