Diamantene Kutsche
überlistete man nicht. Einen Verfolger würde er sofort bemerken. Außerdem war er ein ernsthafter, verantwortungsbewußter Mann. Ihm konnte Masa seinen Herrn anvertrauen.
Jedenfalls – er war nicht mitgefahren. Und machte sich deshalb Vorwürfe. Was sein Herr vorhatte, war bestimmt keine Kleinigkeit. In der Tasche, die er hinter Masas Rücken gepackt hatte, lag der Anzug des nächtlichen Kundschafters. Ach, wie schwer hatte es doch ein Vasall, der sich dem Mann, dem er diente, nicht erklären konnte! Hätte Masa die Sprache der nördlichen Barbaren beherrscht, hätte er gesagt: »Sie haben keinen treueren und eifrigeren Helfer als mich. Sie verletzen mein Herz und meine Ehre, wenn Sie meine Hilfe verschmähen. Ich muß immer und überall bei Ihnen sein, das ist meine Pflicht.« Nun ja, der Herr war sehr klug, er lernte täglich mehr japanische Wörter, schon bald würde man sich mit ihm menschlich verständigen können, ohne Gesten und Grimassen. Dann würde Masa ihm endlich richtig dienen können.
Vorerst aber tat er, was er tun konnte: Erstens schlief er nicht, zweitens ließ er Natsuko nicht in sein Bett, obwohl sie deshalb beleidigt war und obwohl auch Masas Karada sehr gern gewollt hätte (halb so schlimm, das mußte er aushalten, der Karada muß sich dem Verstand unterordnen); drittens wiederholte er achthundertachtundachtzig Mal eine zuverlässige Beschwörung gegen nächtliches Unglück, die er von einer Kurtisane gelernt hatte. Der Herzenskavalier dieser Frau war ein nächtlicher Räuber gewesen. Wenn er auf Raubzug ging, empfing sie keine Kunden, sondern verbrannte Duftstoffe und betete zu dem dickbauchigen Gott Hotei, dem Schutzpatron derjenigen, deren Schicksal vom Glück abhängt. Und jedesmal kehrte ihr Geliebter am Morgen mit einem Sackvoller Beute über der Schulter heim, und vor allem lebendig und unversehrt – so eine starke Beschwörung war das. Einmal aber verzählte sich die dumme Frau und betete für alle Fälle mehr als nötig. Und was geschah? In derselben Nacht wurde der unglückliche Räuber von Wachen gefaßt, und bereits am nächsten Morgen grinste sein aufgespießter Kopf auf der Brücke über den Sakuragawa die Passanten an. Die Kurtisane durchbohrte sich natürlich mit einer Haarnadel die Kehle, und alle sagten: Geschieht ihr ganz recht, der verantwortungslosen dummen Gans.
Um sich nicht zu verzählen, häufte Masa Reiskörner auf. Hatte er das Gebet einmal gesprochen, legte er ein Reiskorn beiseite. Die kleinen Häufchen mit je acht Körnern vereinigte er zu großen aus je zehn kleinen. Als er elf große Haufen angesammelt hatte, war längst der Morgen angebrochen. Ohne Hast sprach Masa im Singsang das Gebet noch achtmal. Er legte das letzte Reiskorn beiseite, schaute aus dem Fenster und sah eine unbeschreiblich prachtvolle glänzende schwarze Lackkutsche mit vier Pferden vorfahren. Auf dem Bock saß ein gravitätischer Kutscher, goldbetreßt und mit Federn an der Mütze.
Die Tür wurde aufgerissen, und leichtfüßig sprang Masas Herr heraus. Zwar ohne Sack über der Schulter, aber lebendig und unversehrt. Doch war eine Kutsche nicht ebensogut wie ein Sack? Ach, was für eine Beschwörung!
Masa rannte seinem Herrn entgegen.
Noch wundersamer war die Wandlung, die mit seinem Herrn vorgegangen war. Seit jener verfluchten Nacht, als er früher als üblich aus dem Pavillon gekommen war und den ganzen Weg nach Hause gestolpert war wie ein Blinder, hatte das Gesicht des Herrn ausgesehen wie die Maske der Erdspinne aus dem No-Theater: dunkel und starr, und die ohnehin lange Nase war noch spitzer geworden – zum Fürchten.
Warum O-Yumi sich für den rothaarigen Engländer entschiedenhatte, war klar: Er war wesentlich reicher, besaß ein großes, schönes Haus und nicht nur einen einzigen Diener, sondern ganze acht. Der Herr litt vor Eifersucht, und wenn Masa ihn ansah, wurde ihm selbst ganz weh zumute. Er überlegte sogar, ob er die Unwürdige töten sollte. Das würde den Herrn natürlich betrüben, aber das wäre immer noch besser, als sich die Leber zu verderben, indem er sich jeden Augenblick vorstellte, wie die Geliebte sich in den Armen eines anderen wand.
Doch nun war ein Wunder geschehen und der böse Zauber wie weggeblasen. Das sah Masa sofort. Ob nun der gütige Gott Hotei dafür gesorgt hatte oder etwas anderes, jedenfalls war der Herr geheilt. Seine Augen strahlten Selbstsicherheit aus, seine Mundwinkel hingen nicht mehr herab.
»Masa, eine große Sache«, sagte er auf
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