Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
Vom Netzwerk:
nachlassenden Wirkung des Opiums – Onokoji hatte eindeutig Angst. Fandorin glaubte zunächst, er fürchtete sich vor Asagawa, vor dessen Rache für seine Hinterhältigkeit. Doch bald begriff er, daß er irrte.
    Zum einem, weil der Arrestant gar nicht versuchte, sich herauszureden. Im Gegenteil!
    »Das hab ich nicht geahnt, ich schwöre! Sie haben gesagt, dieMausefalle sei sehr raffiniert! Er ist selber schuld«, stammelte der Fürst, wobei er Fandorin am Arm packte, als wolle er sich überzeugen, daß die Mausefalle tatsächlich versagt hatte. »Sagen Sie ihm das, sagen Sie es ihm!«
    »Wem – ihm?« Fandorin beugte sich begierig vor. »Wir werden es sagen, aber wem?«
    Onokoji schlug sich mit der Hand auf den Mund. Seine Augen rundeten sich vor Entsetzen.
    »Niemandem«, sagte er hastig. Dann stöhnte er klagend und sagte, sich selbst widersprechend: »Es ist aus, er wird mich umbringen.«
    »Weil Sie schuld sind am Tod des Intendanten?«
    Der Aristokrat nickte. Der wird sich bestimmt nicht die Zunge abbeißen, dachte der Vizekonsul. Und sich auch nicht erschießen. Nun konnte sich der Engländer wohl nicht mehr herauswinden!
    »Keine Angst, Fürst. Wir können Sie vor ihm schützen.«
    Onokoji schüttelte nur den Kopf.
    »Meinen Sie, wir wüßten nicht, vor w-wem Sie solche Angst haben? Wir wissen es. Suga hat uns den Namen vor seinem Tod genannt. Es ist Bullcocks.«
    »Bullcocks?« Lockstone quollen die Augen hervor. »Was hat Bullcocks damit zu tun?«
    »Aldgernon Bullcocks stand an der Spitze der Verschwörung gegen Okubo«, erklärte Fandorin, jedes Wort deutlich artikulierend – nicht so sehr für den Sergeant, als vielmehr für Onokoji. »Suga handelte auf Anweisung des Engländers. Nicht wahr?«
    Die Frage war an den Arrestanten gerichtet. Der nickte mit geschlossenen Augen.
    »Was für ein Volk, diese Engländer!« empörte sich der Sergeant. »Indien ist ihnen nicht genug, die Meere sind ihnen nicht genug! Sie wollen die ganze Welt unterwerfen! Wenn sie dabei wenigstens fair vorgingen! Ich sage Ihnen was, Gentlemen: Old Englandnimmt sich zu viele Freiheiten heraus. Höchste Zeit, dem Einhalt zu gebieten. In Japan haben sie nichts zu suchen. Es gibt anständigere Länder, die fair Handel treiben und sich nicht in die Politik einmischen.«
    Darin stimmte der Vizekonsul dem Amerikaner vollkommen zu, obgleich er ahnte, daß dieser mit »anständigeren Ländern« keineswegs das Russische Reich meinte.
    »Ich will nicht in die Freiheit«, sagte Onokoji plötzlich und sah Fandorin an. »Sie werden mich töten. Kümmern Sie sich um mich. Ich werde Ihnen nützlich sein.«
    »Sie erzählen alles, was Sie wissen, über Bullcocks’ geheimes Treiben, dann läßt Sergeant Lockstone Sie im Munizipalgefängnis wohnen, solange es nötig ist.«
    »Nein! Hier findet er mich sofort!«
    Fandorin sah, daß der Mann nicht ganz bei sich war, und sagte sanft: »Gut. Ich gebe Ihnen Asyl im russischen Konsulat. Unter einer Bedingung: Vollkommene Offenheit.«
    »Ich werde alles erzählen. Über Bullcocks. Aber nicht jetzt. Mir ist schlecht. Und bald wird es mir noch schlechter gehen. Ich brauche eine Spritze. Dann schlafe ich ein, und anschließend … anschließend reden wir. Aber bringen Sie mich von hier weg! Schnell! Er … Er weiß bestimmt, daß ich verhaftet bin. Das mit Suga auch! Und dann reimt er sich alles schnell zusammen. Er ist sehr klug!«
    Lockstone fauchte: »Na, da hat aber einer Schiß vor dem verfluchten Engländer!«
    Plötzlich sagte jemand hinter ihnen: »Von wem reden Sie, Sergeant? Doch nicht etwa von mir?«
    Alle drehten sich um. Auf der Schwelle des Gefängnistrakts stand Twiggs – wie immer mit Krawatte und steifem Kragen, die abgewetzte rote Arzttasche unterm Arm.
    »Nein, Doc, ich rede nicht von Ihnen, ich rede von …«, stammelte der Chef der Munizipalpolizei, und als Asagawa sich lauträusperte, beendete er seinen Satz unbeholfen: »Ich rede von einem anderen Engländer.«
    Fandorin fing den Blick des Inspektors auf, der zuckte leicht die Achseln, was heißen sollte: Twiggs-sensei ist natürlich ein höchst ehrenhafter Mann, aber hier geht es um Staatsinteressen und das Prestige seines Vaterlandes, darum sollten wir von Bullcocks lieber schweigen.
    »Und, wie war die nächtliche Expedition?« fragte der Arzt neugierig. »Ich gestehe, ich habe bis zum Morgengrauen kein Auge zugetan. Ich hab mir schreckliche Sorgen um Sie gemacht. Nun erzählen Sie schon!«
    Sie erzählten. Fast alles – nur den

Weitere Kostenlose Bücher