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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Japanisch, mit fester Stimme. »Sehr groß. Helfen, gut?«
    Aus der Kutsche kletterte mit dem dürren Hintern voran ein Mann in zerknittertem, schmutzigem Gehrock, drehte sich um und wäre beinahe gestürzt, so heftig schwankte er.
    Das höckernasige Gesicht, die gepflegte Haut und die zierlichen Hände verrieten den Aristokraten.
    »Er … wohnen … Haus«, sagte Masas Herr, wobei er ungeduldig mit den Fingern knackte, weil er nicht gleich die nötigen Worte fand.
    Ein Gast also, begriff Masa und verbeugte sich höflich vor dem Fremden. Der hickste und schwankte erneut. Er schien krank zu sein oder betrunken.
    Sie gingen ins Haus, wobei der Herr irgendwie seitlich ging, als wolle er seinen Gast gegen die Fenster des Schmutzigen Mannes abschirmen.
    Der Herr ging durch den Flur, überlegte eine Weile und sagte dann: »Dort. Er wohnen dort.«
    Masa wollte einwenden, daß man dort nicht wohnen könne, dassei eine Abstellkammer. Darin waren Koffer, ein Sack Reis, Gläser mit mariniertem Rettich und Ingwer, aber der Herr hörte ihm gar nicht zu.
    »Bewachen, bewachen«, sagte er. Dann murmelte er »Scheiße!« (dieses Wort kannte Masa, es bedeutete »chikusho«), holte ein Wörterbuch und übersetzte. »Bewachen. Du er bewachen. Verstehen?«
    Masa nickte. »Verstehen.«
    Das hätte er doch gleich sagen können. Masa packte den Höckernasigen am Schlafittchen und schubste ihn in die Kammer. Der Mann winselte klagend und ließ sich entkräftet auf den Boden fallen.
    »Höflich«, befahl der Herr streng, indem er das Wörterbuch zu Hilfe nahm. »Bewachen. Streng. Aber höflich.«
    Gut, also höflich. Masa holte aus seinem Zimmer eine Matratze, ein Kissen und eine Decke.
    Er sagte zu dem Gefangenen: »Bitte machen Sie es sich bequem.«
    Der Aristokrat bat den Herrn weinerlich auf Englisch um etwas. Masa erkannte nur das Wort »piliis«.
    Seufzend holte der Herr eine kleine Schachtel aus der Tasche, in der winzige Fläschchen mit einer Flüssigkeit lagen und eine Spritze, wie man sie für die Pockenimpfung benutzte. Er gab dem greinenden Kerl die Schachtel und schloß die Kammertür ab.
    »Aufpassen. Bewachen. Streng. Höflich«, wiederholte er, wobei er komisch mit dem erhobenen Zeigefinger wackelte.
    Dann drehte er sich um und rannte beinahe aus der Wohnung.
    Stieg in die Kutsche. Fuhr weg.
     
    Unterwegs dachte Fandorin noch flüchtig an den in der Abstellkammer gefangenen Zeugen. Auf Masa war Verlaß. Der würde nicht von der Tür weichen und niemanden heranlassen. Weiß der Teufel, was sein Diener über all das dachte. Leider konnte er ihm nichts erklären – dazu fehlten ihm die Worte.
    Die Zahl der Missetaten, für die der Vizekonsul sich zu verantworten haben würde, wuchs nicht täglich, sondern stündlich. Zum nächtlichen Einbruch ins Allerheiligste der japanischen Ordnungshüter und dem Tod des Polizeichefs kam nun noch das Verbergen einer fremden Person im Konsulat ohne Wissen seines Vorgesetzten. Von dem gefangenen Fürsten konnte er niemandem erzählen, weder Doronin noch Shirota. Vorerst jedenfalls.
    Doch während er diese Eigenmächtigkeit noch irgendwie geheimhalten konnte, mußte die Aktion, die er nun plante, unweigerlich einen gewaltigen Skandal auslösen.
    Aber das kümmerte Fandorin merkwürdigerweise im Moment nicht im geringsten.
    Er schaukelte in den weichen Kissen des gemieteten Fiakers, des allerbesten aus der in der Remise der Firma Archibald Griffin (»Ausgezeichnete Pferde und die bequemsten Kutschen für alle Gelegenheiten zu Stundenpreisen«), und war hochzufrieden mit sich. Die Idee, die ihn gezwungen hatte, seine Kollegen mitten in der wichtigen Beratung zu verlassen, war bestechend in ihrer Einfachheit und zweifellosen Durchführbarkeit.
    Dem Schurken O-Yumi wegnehmen, und Schluß. Nicht auf sie hören, sie nicht zur Besinnung kommen lassen. Sie einfach in die Kutsche setzen und entführen.
    Das war ehrlich und mutig, echt russisch.
    Das hätte er gleich tun sollen, auch als Bullcocks sich noch nicht als Schurke entpuppt hatte. Was hatte eine politische Verschwörung mit der Liebe zu tun? Nichts! Bestimmt erwartete O-Yumi von ihrem Geliebten eine solche Tat. Und er war verzagt, hatte seinen Willen eingebüßt und war in Trübsal und Selbstmitleid verfallen.
    Eigentlich hätte er etwas Feierliches anziehen müssen, Frack, Zylinder, gestärktes Hemd, der Wichtigkeit des Ereignisses angemessen, aber er hatte keine einzige Minute verlieren wollen.
    Die Kutsche raste über das Kopfsteinpflaster

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