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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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des Bluff und bremste schwungvoll vor dem Anwesen Nummer 129. Der Kutscher, der den Hut abgenommen hatte, riß die Tür auf, und der Vizekonsul stieg ohne Eile aus. Er glättete sein Haar, fuhr sich mit der Bürste durch den Schnauzbart, der unter den nächtlichen Abenteuern ein wenig gelitten hatte, und rückte seinen Gehrock zurecht.
    Na dann, mit Gott!
    Als er durch die Pforte ging, blieb er unwillkürlich stehen – er dachte an Bullcocks’ Hunde. Doch die wilden Zerberusse waren nirgends zu sehen. Vermutlich wurden sie tagsüber angekettet.
    Mit festen Schritten überquerte Fandorin den Rasen. Was machte O-Yumi gerade? Bestimmt schlief sie noch, sie legte sich ja erst nach Sonnenaufgang schlafen.
    Noch bevor er die bronzene Klingel berührt hatte, sprang die Tür von selbst auf. Auf der Schwelle stand ein distinguierter Lakai in Livree. Fandorin reichte ihm eine Visitenkarte mit dem doppelköpfigen Adler.
    Consulat de l’Empire de la Russie
    Eraste Petrovitch Fandorine
    Vice-consul, Conseiller Titulaire
    Yokohama, Bund, 6
     
    Shirota hatte ihm erst am Vortag einen ganzen Stapel davon gegeben, frisch gedruckt; sie rochen noch nach Druckerschwärze.
    »Ich muß zum ehrenwerten Mister Bullcocks, in einer dringenden Angelegenheit.«
    Er wußte, daß Bullcocks jetzt keinesfalls zu Hause sein konnte. Zweifellos hatte man ihn bereits über den rätselhaften »Selbstmord« seines Komplizen informiert, und der Engländer war daraufhin natürlich nach Tokio geeilt.
    Fandorin hatte sich auch den nächsten Satz zurechtgelegt: »Ach, er ist nicht da? Dann verständigen Sie bitte Miß O-Yumi. Sieschläft noch? Sie werden sie wecken müssen, die Angelegenheit duldet keinen Aufschub.«
    Aber den Vizekonsul erwartete eine Überraschung. Der Torhüter verbeugte sich ungerührt, bat ihn herein und verschwand hinter einer Tür, die links von der Diele abging – von einem früheren, inoffiziellen Besuch wußte Fandorin, daß dahinter das Kabinett lag.
    Noch ehe Fandorin begriff, was das bedeuten konnte, kam der Ehrenwerte höchstpersönlich heraus. In Hausjacke und weichen Schuhen, gänzlich unbekümmert.
    »Was kann ich für Sie tun, Mister Fendorein?« fragte er mit einem Blick auf die Visitenkarte. »Ach ja, wir kennen uns bereits.«
    Was für ein Spuk! Es war bereits Mittag, und Sugas Leiche war noch nicht entdeckt? Unmöglich!
    Sie war entdeckt, doch Bullcocks, der oberste Berater der Regierung, wußte nichts davon? Ausgeschlossen!
    Er wußte es, war aber nicht in Aufregung? Absurd!
    Doch es war nun einmal Tatsache: Bullcocks hatte es vorgezogen, zu Hause zu bleiben. Aber warum?
    Fandorin warf einen Blick durch die halboffene Tür zum Kabinett und sah im Kamin ein Feuer brennen. Das war es also! Er verbrannte belastende Papiere! Das heißt, er war sehr wohl in Aufregung! Er war wirklich ein kluger Mann. Und sehr weitsichtig. Er witterte die Gefahr!
    »Warum schweigen Sie?« fragte der Engländer, ärgerlich die Brauen runzelnd. »Was wünschen Sie?«
    Fandorin schob den Ehrenwerten beiseite und ging ins Kabinett.
    Doch im Kamin brannten keine Papiere, sondern nur ein Haufen Reisig.
    »Was zum Teufel hat das zu bedeuten?« fragte Bullcocks, der ihm gefolgt war.
    Fandorin reagierte auf die Frage unhöflich mit einer Gegenfrage: »Wieso heizen Sie den Kamin? Es ist Sommer.«
    »Ich heize ihn jeden Morgen mit Tamariskenzweigen. Das Haus ist noch neu und ein wenig feucht. Und ich mag den Rauchgeruch … Hören Sie, Sir, Sie benehmen sich höchst seltsam! Wir kennen uns kaum! Erklären Sie mir sofort, was hier vorgeht! Weshalb sind Sie hier?«
    Fandorin hatte nun nichts mehr zu verlieren und stürzte sich Hals über Kopf ins Joch.
    »Um Ihnen die Dame wegzunehmen, die Sie hier gewaltsam festhalten!«
    Bullcocks sperrte den Mund auf und klapperte mit den Wimpern, die ebenso feuerrot waren wie sein Haupthaar.
    Der Vizekonsul, der bereits, wie eine französische Redewendung sagt, a jeté son bonnet par-dessus le moulin (seine Mütze hinter die Mühle geworfen hatte), ging zum Angriff über, der bekanntlich die beste Verteidigung ist, zumal bei schlechter Ausgangsposition.
    »Eine Frau einzuschüchtern ist niederträchtig und eines Gentleman unwürdig! Aber was sind Sie schon für ein Gentleman! Aus dem Weg, ich gehe zu ihr!«
    Er wollte an Bullcocks vorbei, doch der packte ihn am Revers.
    »Ich töte dich wie einen tollwütigen Hund«, zischte der Engländer, und auch in seinen Augen funkelte Wut.
    Fandorin antwortete mit nicht

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