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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Sterbende.
    Er hatte wohl überhaupt nicht begriffen, was ihm zugestoßen war. Er war Hals über Kopf weggerannt, hatte nichts um sich herum wahrgenommen, als ihn plötzlich etwas am Hals traf.
    »Das war ein Ninja. Den hat Bullcocks geschickt«, sagte Fandorin, gegen den Schwindel ankämpfend. »Ich bringe Sie zu einem Arzt. Zu Doktor Twiggs.«
    Doch dem Fürsten konnte offenkundig kein Arzt mehr helfen. Er verdrehte bereits die Augen.
    Auf einmal verzog er das Gesicht, spannte seine ganze noch verbliebene Kraft an und sagte langsam, aber deutlich: »Nicht Bullcocks. Don …«
    »Was?«
    »Don … Tsurumaki.«
    Dann war es vorbei. Der Kiefer zuckte noch einmal und klappte auf. Unter den halboffenen Lidern sah man nur die Augäpfel.
    Im verletzten Kopf des Vizekonsuls klang es: don-don-don.
     
    Das Leben klingt so:
    Din-din, tiribom, ku-kuck,
    Und zum Schluß: don-don.

Kopfweh
    Fandorin glaubte, sich nur für einen Moment auf die Bohlen gelegt zu haben, um einen besonders heftigen Schwindelanfall abzuwarten, doch als er die Augen wieder öffnete, lag er in seinem Schlafzimmer, im Bett, vollständig entkleidet und zugedeckt. Links und rechts beugten sich zwei schmaläugige Gesichter über ihn. Ein rundes mit kurzem Stoppelhaar und ein schmales mit akkuratem Scheitel – Masa und Shirota, die den Vizekonsul mit dem Ausdruck höchster Sorge ansahen.
    »Was … ist … mit mir?« fragte Fandorin mühsam, denn die trockene Zunge gehorchte ihm kaum.
    Die einfache Frage löste eine heftige Diskussion auf Japanisch aus, nach der die beiden Japaner einander zunickten, als hätten sie etwas verabredet, und der Schreiber begann: »Im Morgengrauen hat O-Yumi Ihren Diener geweckt. Sie sagte: ›Dem Herrn geht es schlecht, das fühle ich. Gehen wir, schnell.‹ Sie lief die Uferstraße entlang zu den Piers, Masahiro hinterher. Er sagt, sie blickte im Laufen ständig zu den Anlegestellen. An einer der längsten, bereits im Einheimischenviertel, fanden die beiden Sie, bewußtlos und voller Blut.«
    Fandorin sah zu Masa – der kniff bedeutungsvoll die Augenzusammen. Aha, begriff Fandorin, daß neben ihm ein Toter lag, haben sie Shirota nicht erzählt. Richtig so. Aber woher wußte O-Yumi, daß ich in Gefahr war? Und wie hat sie erraten, daß sie mich am Wasser suchen muß? Eine erstaunliche Frau. Wo ist sie?
    Er schaute sich um, aber sie war nicht im Zimmer.
    »Frau O-Yumi hat irgendwas gemacht, ich glaube, eine Ader abgedrückt, und die Blutung hörte auf. Dann hat sie einen Streifen von ihrem Kleid abgerissen und Sie verbunden. Sie befahl Ihrem Diener, Sie nach Hause zu tragen, sie selbst kam nicht mit. Sie sagte, Sie brauchen dringend irgendein Kraut aus den Bergen. Masahiro hat sich den Namen nicht gemerkt. Sie meinte, ohne diese Medizin würde das Blut in Ihrem Kopf trocknen und zu Stein werden, und Sie müßten sterben. Ihr Diener hat Sie bis zur Grenze des Settlement getragen, dort traf er glücklicherweise eine frühe Rikscha. Und heute morgen kam der Herr Konsul in Ihre Wohnung gestürmt und sah Sie bewußtlos und verbunden hier liegen. Er schrie Ihren Diener an, rief mich zu sich und schickte mich nach einem Doktor. Ich ging zu Mister Twiggs, weil ich weiß, daß er Ihr Freund ist. Und der Herr Konsul ist gleich nach Tokio gefahren, in die Botschaft.«
    Vieles an seiner Rede war unverständlich, am meisten aber verblüffte Fandorin das merkwürdige Verhalten des Konsuls.
    »Er kam reingestürmt?«
    Der förmliche Doronin kam am frühen Morgen in die Wohnung seines Stellvertreters gestürmt? Da mußte etwas Außerordentliches geschehen sein.
    Shirota druckste herum.
    »Und was ist mit Doktor Twiggs?«
    Die Japaner wechselten erneut einen Blick. Wieder bekam Fandorin keine Antwort. Masa sagte besorgt etwas, und der Schreiber übersetzte: »Sie müssen liegen, alle Stunde die Kompresse wechseln und dürfen sich nicht aufregen. Sie haben eine heftige Kopfprellung erlitten. Sagt Doktor Albertini.«
    »W-wieso Albertini und nicht Twiggs?«
    Eine lebhafte Debatte auf Japanisch, diesmal ohne jede Übersetzung.
    Der Kopf tat Fandorin tatsächlich ziemlich weh, und ihm war übel, aber er hatte die Geheimniskrämerei nun satt.
    Zum Teufel mit den Ärzten und dem Konsul! Es gab Wichtigeres. »Masa, Asagawa-san koko, hayaku!« 1 befahl der Vizekonsul.
    Sein Diener klapperte mit den Augenlidern und blickte erschrocken zu Shirota. Der hüstelte warnend.
    Fandorins Herz begann heftig zu pochen, von Sekunde zu Sekunde schneller. Er

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