Diamantene Kutsche
Leichnam von Fürst Onokojigefunden, einem Mann aus der höchsten Gesellschaft, einem Verwandten vieler einflußreicher Persönlichkeiten.«
Bei den Lagerhäusern, dachte Fandorin erstaunt und erinnerte sich an die vielsagende Grimasse seines Dieners. Also hatte er, bevor er seinen bewußtlosen Herrn wegtrug, den Leichnam vorsorglich woandershin gebracht. Alle Achtung, Masa!
»Bei Durchsicht der Papiere des plötzlich verstorbenen Chefs der ausländischen Polizei stellte sich heraus, daß erwähnter Fürst Onokoji im Munizipalgefängnis inhaftiert war.« Bucharzew hob die Stimme und betonte jedes Wort: »Und zwar auf Verlangen des russischen Vizekonsuls! Was hat das zu bedeuten, Fandorin? Was sollte diese eigenmächtige Verhaftung einer angesehenen Persönlichkeit? Die ganze Wahrheit, ohne Ausflüchte! Nur das kann Ihre Strafe in gewissem Maße mildern!«
»Ich fürchte die Strafe nicht«, sagte Fandorin kühl. »Die mir bekannten Fakten teile ich Ihnen gern mit, wenn Sie erlauben. Aber zuvor muß ich erklären, daß ich auf eigenes Risiko gehandelt habe, ohne den Herrn K-konsul davon in Kenntnis zu setzen.«
Der Attaché lächelte süffisant, unterbrach ihn aber nicht. Fandorin referierte in aller Kürze, ohne jedoch etwas auszulassen, den Gang der Ereignisse, erläuterte die Gründe für sein Vorgehen und endete mit der Aufzählung der schrecklichen Bilanz, zu der es geführt hatte. Er entschuldigte und rechtfertigte seine Fehler nicht. Als einziges Zugeständnis an seinen Stolz verschwieg er die falsche Spur, die von Intendant Suga zu Bullcocks geführt hatte. Auch der Konsul erwähnte den Ehrenwerten nicht, obwohl ihm die Hypothese von einer britischen Intrige wohlbekannt war.
»Ihr Diener ist klüger als Sie«, bemerkte Bucharzew giftig, als Fandorin geendet hatte. »Er war so schlau, die Leiche des Fürsten beiseite zu schaffen, sonst hätten die Japaner womöglich den russischen Vizekonsul des Mordes verdächtigt. Wenn man Ihnen so zuhört, Fandorin, sind Sie ein wahrer Patriot des Vaterlandes, einheldenhafter Partisan, ein echter Denis Dawydow 2 . Aber warum verschweigen Sie mir Ihre Eskapade mit Bullcocks?«
Er weiß Bescheid, begriff Fandorin. Nun war alles egal.
»Ja, das war mein Fehler. Ich habe mich täuschen lassen. Sehen Sie …«
Er wollte von der Lüge des Intendanten vor dessen Tod erzählen, doch Bucharzew unterbrach ihn: »Ein Fehler! ›Ich habe mich täuschen lassen!‹ Sie Grünschnabel! Solche Verwirrung zu stiften! Wegen eines Rocks, pardon, eines Kimonos! Eine Forderung von Bullcocks persönlich, dem wichtigsten Regierungsberater! Ein Alptraum! Ein diplomatischer Skandal!«
Nun verstand der Vizekonsul überhaupt nichts mehr – er griff sich nur an seine schmerzdurchzuckte Schläfe.
»Eine F-forderung? Wovon reden Sie?«
»Mstistlaw Nikolajewitsch spricht von der Duellforderung, die heute früh um acht von Bullcocks kam«, erklärte Doronin. »Da Sie ohne Bewußtsein waren, mußte ich sie entgegennehmen. Das Dokument wurde in aller Form überbracht, Sie haben die Wahl der Waffen, es gibt nur eine Bedingung: Nur einer der beiden Rivalen bleibt am Leben. Als Bullcocks’ Sekundant gegangen war, erschien ein Bote von der einheimischen Polizei wegen Fürst Onokoji … Ich mußte unverzüglich nach Tokio, um Seiner Exzellenz Meldung zu erstatten.«
Fandorin lächelte säuerlich – das war ein weiterer Beweis dafür, daß Bullcocks kein Verschwörer war, kein hinter den Kulissen agierender Schurke, der Mörder aussandte, sondern ein echter britischer Gentleman, bereit, als Antwort auf eine Beleidigung seine Brust einer Kugel oder einer Klinge auszusetzen.
»Er lächelt noch!« empörte sich Bucharzew. »Bringt Schande über den Ruf eines russischen Diplomaten und lacht! Und weswegen? Wegen einer käuflichen …«
»Schweigen Sie!« brüllte Fandorin den Kapitänleutnant an. »Noch ein Wort, und wir beide schießen uns ebenfalls, auf Leben und Tod!«
»Er gehört nicht vom Dienst suspendiert, er gehört ins Irrenhaus, in die Zwangsjacke!« murmelte Bucharzew, allerdings weit weniger großsprecherisch. Ein Duell auf Leben und Tod wollte er offenkundig nicht riskieren.
»Meine Herren, meine Herren«, mischte sich der Konsul ein. »Wir arbeiten doch für eine gemeinsame Sache, wir müssen einen Ausweg aus dieser prekären Lage finden. Streiten wir uns nicht! Erast Petrowitsch, Sie sagten, der Fürst nannte vor seinem Tod Don Tsurumaki als Oberhaupt der Verschwörung?«
»Ja. Aber
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