Diamantene Kutsche
sofort herkommen. Und ohne lange Erklärungen – er soll nur seinen Ausweis vorzeigen und Schluß. Marsch!«
Kurz darauf vernahm man sich rasch entfernende Stiefelschritte – ein Unteroffizier rannte los, um den Auftrag auszuführen, und war zehn Minuten später mit dem abgeschnittenen Hörer zurück.
»Schön, daß das Kabel so lang ist«, freute sich Fandorin, warf zur Verblüffung der Gendarmen seinen eleganten Mantel ab und kletterte, ein Taschenmesser zwischen den Zähnen, gewandt den Mast hoch.
Er manipulierte an den Leitungen herum und kletterte wieder herunter, in der Hand den Telefonhörer, von dem ein Kabel hinaufreichte.
Er sagte zu Lissizki: »Hier, nehmen Sie. Da Sie Polnisch können, werden Sie zuhören.«
Der war begeistert. »Was für eine geniale Idee, Herr Ingenieur! Erstaunlich, daß da bislang niemand drauf gekommen ist! Man könnte doch auf jeder Telefonstation einen Extraraum einrichten!Gespräche verdächtiger Personen abhören! Das wäre ein Nutzen für das Vaterland! Und so zivilisiert, ganz im Geiste des technischen Fort…« Der Offizier brach mitten im Wort ab, hob warnend den Finger und teilte in unheilverkündendem Flüsterton mit: »Es geht los! Sie verlangen die Zentrale!«
Oberstleutnant Danilow und Fandorin beugten sich vor.
»Ein Mann … Er verlangt die Nummer 398 …«, flüsterte Lissizki abgehackt. »Am anderen Ende ist auch ein Mann … Spricht Polnisch … Der erste bestellt ihn zu einem Treffen … Nein, kein Treffen, eine Zusammenkunft … In der Nowo-Basmannaja … Vor dem Haus der Warwarin-Aktiengesellschaft … Eine Operation! Er hat ›Operation‹ gesagt! Das war’s, abgehängt!«
»Was für eine Operation?« Danilow packte seinen Assistenten an der Schulter.
»Das hat er nicht gesagt. Nur ›Operation‹, weiter nichts. Um Mitternacht, und jetzt ist es gleich halb zehn. Darum sind sie so nervös.«
»In der B-basmannaja? Vorm Haus der Warwarin-Gesellschaft?« Auch Fandorin war unbewußt zum Flüstern übergegangen. »Was ist dort?«
Die Offiziere schauten sich an und zuckten die Achseln.
»Wir b-brauchen ein Adreßbuch.«
Der Unteroffizier von vorhin wurde noch einmal zur Bahnstation geschickt, er sollte ins Büro laufen, das Moskauer Adreßbuch vom Tisch nehmen und im Laufschritt zurückkommen.
»Auf der Station werden sie denken, daß bei der Eisenbahngendarmerie lauter Irre dienen«, sagte Danilow bekümmert, aber mehr der Form halber. »Macht nichts, sie kriegen ja alles wieder – den Telefonhörer und auch das Buch.«
Die folgenden zehn Minuten vergingen in gespannter Erwartung. Die Männer rissen einander das Fernglas buchstäblich aus der Hand. Die Sicht war schlecht – es dunkelte bereits, doch im Hauswaren sämtliche Fenster erleuchtet, über die Gardinen huschten eilige Schatten.
Zu dritt rannten sie dem keuchenden Unteroffizier entgegen. Fandorin als Dienstältester entriß ihm das abgegriffene Buch. Zuerst schlug er die Telefonnummer 398 nach – das »Große Moskauer Hotel«. Dann suchte er im Straßenverzeichnis die Nowo-Basmannaja, und das Blut pochte ihm in den Schläfen.
Im Haus der Warwarin-Aktiengesellschaft befand sich die Leitung des Bezirks-Artilleriedepots.
Danilow, der Fandorin über die Schulter schaute, stöhnte auf.
»Natürlich! Daß ich nicht gleich … Nowo-Basmannaja! Dort sind doch die Depots, von wo Granaten und Dynamit an die kämpfende Truppe geliefert werden! Da lagert mindestens ein Wochenvorrat an Munition. Aber meine Herren, das ist ja … Das ist unerhört! Ungeheuerlich! Wenn sie das sprengen, dann fliegt halb Moskau in die Luft! Diese verdammten Polen! Pardon, Boleslaw Stefanowitsch, das war nicht persönlich gemeint …«
»Was wollen Sie, das sind Sozialisten!« verteidigte Lissizki seine Nation. »Sie sind Schachfiguren in der Hand der Japaner, weiter nichts. Aber diese Asiaten! Wahrhaftig die neuen Hunnen! Scheren sich einen Dreck um zivilisierte Kriegführung!«
»Meine Herren, meine Herren!« unterbrach Danilow, und seine Augen funkelten. »Kein Leid ohne Freud! Die Artilleriedepots grenzen an die Werkstätten der Kasaner Eisenbahn, und das …«
»Das ist unser Territorium!« rief Lissizki. »Bravo, Nikolai Wassiljewitsch! Wir kommen ohne die vom Gouvernement aus!«
Oberstleutnant Danilow und Stabsrittmeister Lissizki vollbrachten wahre Wunder an Organisation: Binnen zwei Stunden sorgten sie für einen soliden, perfekten Hinterhalt. Auf eine Beschattung der Saboteure auf dem Weg von
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