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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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es schon klappen.
    Schließlich ging Fandorin schlafen, ermüdet von der anstrengenden Entschlüsselung des Geschwätzes. Er putzte sich die Zähne mit Diamant-Zahnpulver und wusch sich in seiner Wanne, die sehr bequem war, obgleich das Wasser stark nach Gummi roch. Masa stellte indessen das Feldbett auf, spannte das grüne Moskitonetz darüber und blies mit vollen Backen das Kopfkissen auf.
    »Morgen«, sagte sich Fandorin und schlief ein.
     
    Die letzten fünf Ri waren mindestens so schwer wie die elf Ri am Vortag. Der Weg führte sofort steil bergauf und schlängelte sich zwischen Hügeln hindurch, die immer höher und höher gen Himmel anstiegen. Fandorin mußte sein Rad schieben; er bedauerte, das Gefährt nicht im Dorf gelassen zu haben.
    Weit nach Mittag zeigte Kamata auf einen Berg mit schneebedecktem Gipfel.
    »Oyama. Jetzt immer rechts.«
    Rund viertausend Fuß, schätzte Fandorin. Natürlich nicht der Kasbek und auch nicht der Montblanc, aber doch eine ernsthafte Erhebung.
    Der Ort, wohin wir gehen, liegt ein wenig abseits, erklärte der Kommandeur, der heute konzentriert und wortkarg war. Wir bilden eine Kette und machen keinen Lärm.
    Sie liefen noch zwei weitere Stunden. Vor einer schmalen, aber nicht sehr langen Talenge saß Kamata ab und teilte den Trupp in zwei Gruppen. Der größeren befahl er, den Kopf mit Blättern zu tarnen und auf dem Bauch durch die Enge zu kriechen. Zehn Mann ließ er mit Lasttieren und Gepäck an Ort und Stelle.
    »Hochstand. Schauen«, erklärte er Fandorin knapp und zeigte nach oben.
    Offenbar befand sich ganz in der Nähe ein Beobachtungsposten des Gegners.
    Die zweihundert Sashen überwand der Vizekonsul auf dieselbe Weise wie alle anderen. Sein Anzug litt darunter nicht im geringsten; eigens für Gebirgsausflüge gedacht, war er mit vorzüglichen Knie- und Ellbogenschützern aus Englischleder versehen. Hinter ihm schnaufte Masa, der auf keinen Fall bei dem Maultier und dem Fahrrad hatte bleiben wollen.
    Als die gefährliche Stelle überwunden war, bewegten sie sich wieder aufrecht vorwärts, hielten sich aber im Gehölz und mieden offenes Gelände. Kamata schien den Weg zu kennen – er mußte genau instruiert worden oder schon einmal hier gewesen sein.
    Mindestens eine Stunde lang krochen sie einen bewaldeten Abhang hinauf, einem steinigen Bachlauf folgend.
    Auf ein Zeichen des Kommandeurs sanken die Schwarzjacken erschöpft zu Boden. Kamata winkte Fandorin zu sich.
    Zu zweit gingen sie noch rund hundert Meter weiter, bis zu einem kahlen, bemoosten Felsen, von dem aus man einen guten Blick auf die umliegenden Gipfel und das Tal unter ihnen hatte.
    »Das Shinobidorf liegt dort.« Kamata zeigte auf den benachbarten Berg.
    Er war etwa genau so hoch wie der, auf dem sie sich befanden, und ebenso bewaldet, besaß aber eine interessante Besonderheit. Ein Teil der Kuppe hatte sich (vermutlich durch ein Erdbeben) vom Massiv gelöst und stand nun schräg, vom übrigen Berg durch einen tiefen Riß getrennt. Auf der gegenüberliegenden Seite fiel der abgetrennte Brocken jäh ab – der Hang war abgebrochen, außerstande, die dicke Erdschicht auf der Schräge zu halten. Der schief über dem Abgrund hängende Bergbrocken bot einen eigenwilligen Anblick.
    Fandorin sah durch sein Fernglas, konnte aber zunächst keinerlei Anzeichen von menschlichen Behausungen entdecken, nurdicht an dicht stehende Kiefern und im Zickzack fliegende Vögel. Lediglich ganz am Rand des Abgrunds klebte eine Art Bauwerk. Fandorin stellte schärfer und erkannte ein Holzhaus, das ziemlich groß sein mußte; an der Wand, die ins Nichts führte, hing eine Art Brücke oder Anlegesteg. Aber wer sollte dort anlegen, in zweihundert Sashen Höhe?
    »Momoti Tamba«, sagte Kamata in seinem eigenwilligen Englisch. »Sein Haus. Die anderen Häuser sieht man von unten nicht.«
    Fandorins Herz verkrampfte sich. O-Yumi war ganz nah! Aber wie kam er dorthin?
    Noch einmal suchte er mit dem Fernglas den ganzen Berg ab.
    »Ich b-begreife nicht, wie sie dort hin k-kommen.«
    »Falsche Frage.« Der Kommandeur der Schwarzjacken schaute nicht auf den Berg, sondern auf Fandorin. »Richtige Frage: Wie kommen wir dorthin? Ich weiß nicht. Tsurumaki-dono sagt, Gaijin denken. Denken Sie. Ich warte.«
    »Wir müssen näher rangehen«, sagte Fandorin.
    Das taten sie. Dazu mußten sie auf den Gipfel des gespaltenen Berges steigen – nun war der abgetrennte Brocken ganz nahe. Sie krochen bis zum Abgrund, bemüht, nicht über das Gras

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