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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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drängeln, immer zu zweit hintereinander!«
    Masa gesellte sich zu denen, die ins Haus gehen würden, gelangte aber nicht in die erste Reihe, sondern nur in die dritte.
    Der Plan der Erstürmung war tatsächlich bis ins kleinste durchdacht.
    Die lange Doppelreihe lief bis zur Lichtung, an deren Rand dunkel das Haus des Jonin schimmerte. Die Zwanzigerkette verteilte sich um die Lichtung herum und stellte Fackeln auf.
    Nun rückten die anderen als lange dunkle Schlange vor.
    »Karabiner hinlegen!« befahl der Kommandeur, den Blick auf das unheilvoll schweigende Haus geheftet. »Dolche raus!«
    Er trat ein Stück zurück und blieb wie unschlüssig stehen.
    Er will nicht seinen Hals riskieren, mutmaßte Masa. Klug von ihm. Rakuda (der für seinen Heldentod bestimmt auf die nächsthöhere Stufe im Zyklus der Wiedergeburten gelangt war) hatteerzählt, bei Gefahr gleiche das Haus von Herrn Tamba einem Igel, der die Stacheln aufstellt – man mußte nur irgendwelche geheimen Hebel betätigen. Dazu hatten die Bewohner des Hauses genügend Zeit gehabt, auf die Schwarzjacken wartete also eine Menge Überraschungen. Schaudernd erinnerte sich Masa, wie sich in jener Nacht der Boden unter ihm gesenkt hatte und er ins Dunkel gestürzt war.
    Der Mönch war ein vorsichtiger Mann – hier stürmte man besser nicht vor.
    Wie zur Bestätigung ging es auch gleich los.
    Kurz vor der Treppe verschwand einer der vordersten Männer plötzlich. Wie vom Erdboden verschluckt.
    Nein, nicht »wie« – der Erdboden hatte ihn tatsächlich verschluckt. Masa war hundertmal über diese Stelle gegangen, ohne auch nur zu ahnen, daß darunter eine Fallgrube versteckt war.
    Ein markerschütternder Schrei ertönte. Die Schwarzjacken wichen zunächst zurück vor dem gähnenden Loch, dann drängten sie sich an dessen Rand. Masa stellte sich auf Zehenspitzen, um über die Schulter eines Mannes hinunterzuschauen, und erblickte einen von spitzen Speeren durchbohrten, zuckenden Körper.
    »Ich bin knapp entkommen, kurz vorm Rand!« sagte der zweite Mann aus der ersten Reihe. »Das Amulett hat mich gerettet! Das Amulett der Göttin Kannon!«
    Die anderen schwiegen düster.
    »Antreten!« blaffte der Kommandeur.
    Sie machten einen Bogen um die Grube, aus der noch immer Stöhnen drang, und stiegen die Treppe hoch. Der Besitzer des wundertätigen Amuletts hatte den Arm mit dem Dolch ausgestreckt und den Kopf eingezogen. Er passierte die erste Stufe, die zweite, die dritte. Ängstlich betrat er die Terrasse, und im selben Moment löste sich aus dem dicken Balken am Dachrand ein beträchtliches Stück. Dumpf traf es den Kopf des Mannes, der ohne einen Schreiaufs Gesicht fiel. Aus seiner Hand glitt ein Amulett in einem winzigen Brokatsäckchen. Die Göttin Kannon ist gut für Frauen und für friedliche Dinge, dachte Masa. Für Männersachen eignet sich eher ein Amulett des Gottes Fudo.
    »He, nicht stehenbleiben!« rief der Mönch. »Vorwärts!«
    Furchtlos lief er auf die Terrasse, ging jedoch nicht weiter, sondern winkte einem Mann.
    »Los, los! Nicht so feige!«
    »Wer ist feige?« knurrte ein massiger Riese und schob sich vor. Masa trat dem Mutigen aus dem Weg. »He, laßt mich durch!«
    Der Riese riß die Eingangstür auf. Masa verzog ängstlich das Gesicht, aber es geschah nichts Schlimmes.
    »Bravo, Saburo«, lobte der Kommandeur. »Die Schuhe mußt du nicht ausziehen, du kommst ja nicht zu Besuch.«
    Vor ihnen lag der Masa vertraute Flur: drei Türen rechts, drei links und eine am Ende – dahinter befand sich der Steg über dem Abgrund.
    Der Riese Saburo stampfte mit dem Fuß auf den Boden – nichts. Er trat über die Schwelle, blieb stehen und kratzte sich am Kopf.
    »Wohin zuerst?«
    »Nach rechts«, befahl der Mönch und ging ebenfalls in den Flur. Die anderen folgten ihm, dicht aneinandergedrängt.
    Bevor Masa hineinging, schaute er sich um – vor der Treppe stand eine lange Schlange aus Schwarzjacken, im roten Licht der Fackeln funkelten die entblößten Klingen. Eine Schlange, die den Kopf in den Rachen des Tigers steckt, dachte Fandorins Vasall und schauderte. Er war natürlich von ganzem Herzen für den Tiger, präsentierte sich aber im Augenblick als Schuppe am Körper der Schlange …
    »Vorwärts!« Der Kommandeur stieß den kühnen (oder vielleicht auch nur einfältigen) Saburo an.
    Der öffnete die erste Tür rechts und trat in den Raum. Den Kopfhin und her drehend, tat er einen Schritt, dann noch einen. Als sein Fuß die zweite Tatami

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