Diamantene Kutsche
Verstand war ich Wachs in deinen Händen. Und aufgehört hat das nicht deshalb, weil mein Feind tot ist, sondern weil du mir auf den Rücken geklopft hast! Aber nun habe ich meine Schuldigkeit getanund bin nicht mehr von Nutzen. Du wirst mich töten. Tsurumaki war ein Schurke, aber in seinen Adern floß lebendiges, heißes Blut. Der wahre Akunin ist nicht er, sondern du – ein Mann mit kaltem Herzen, der keine Liebe und keinen Edelmut kennt! Du hast auch deine Tochter nie geliebt. Die arme Midori! Bei ihrer Bestattung hast du nur an eines gedacht: Wie du ihren Tod möglichst gewinnbringend nutzen kannst!«
Offenbar hatte Fandorin seinen klaren Verstand doch nicht ganz wiedergewonnen. Sonst hätte er seine Anschuldigungen nicht herausgeschrien, hätte nicht zu erkennen gegeben, daß er das Spiel des alten Shinobi durchschaut hatte.
Dieser tödliche Fehler ließ sich nur auf eine einzige Weise korrigieren. Fandorin machte einen Ausfallschritt, den angespitzten Holzstab auf die Brust des Intriganten gerichtet, aber Tamba war auf den Angriff vorbereitet. Er drehte sich weg, versetzte Fandorin einen leichten Schlag aufs Handgelenk, und dessen Hand hing leblos herab. Sofort nahm ihm der Jonin die hölzerne Waffe ab.
Fandorin war nicht in der seelischen Verfassung, sich ans Leben zu klammern. Die betäubte Hand festhaltend, wandte er Tamba die Brust zu und wartete auf den Angriff.
»Du hast mit deinen Schlußfolgerungen nur zur Hälfte recht«, sagte der Jonin und steckte den Stab weg. »Ja, ich bin ein echter Akunin. Aber ich werde dich nicht töten. Komm weg hier. Jeden Augenblick werden die Posten erwachen. Hier ist nicht der Ort und nicht die Zeit für Erklärungen. Denn die sind lang. Gehen wir! Dann erzähle ich dir von der Diamantenen Kutsche und von einem echten Akunin.«
Der Akunin lacht
Rauh. Hat ein Messer im Mund
Und irre Augen.
Also sprach Tamba
Tamba sagte: »Bald geht die Sonne auf. Wir steigen hinauf auf den Felsen, sehen uns den Sonnenaufgang an und unterhalten uns.«
Sie kehrten zurück zu der Stelle, wo Masa sie mürrisch und beleidigt erwartete, und zogen sich um.
Fandorin wußte inzwischen, warum der alte Ninja ihn nicht gleich im Pavillon getötet hatte: Das würde der These von Tsurumakis natürlichem Tod widersprechen und verhindern, daß Shirota den Platz des Verstorbenen einnahm.
Fandorin konnte nur noch eines tun: Versuchen, Masa zu retten.
Er rief seinen Diener beiseite, gab ihm einen Brief und befahl ihm, so schnell er konnte ins Konsulat zu Doronin zu laufen.
Tamba beobachtete die Szene gleichmütig – vermutlich war er sicher, daß Masa ihm schon nicht entwischen würde.
Vielleicht zu Recht. Doch in dem Brief stand: »Schicken Sie meinen Diener unverzüglich in die Gesandtschaft, sein Leben ist in Gefahr.« Doronin war ein kluger und zuverlässiger Mann – er würde diese Bitte erfüllen. Und in eine ausländische Gesandtschaft einzudringen, um einen Zeugen zu töten, der keine große Bedrohung darstellte, würde Tamba womöglich doch nicht riskieren. Schließlich hatte er nur noch einen einzigen Helfer.
Damit Masa keinen Verdacht schöpfte, lächelte Fandorin ihn fröhlich an.
Augenblicklich vergaß sein Diener das Gekränktsein, schenkte ihm ein strahlendes Antwortlächeln und rief mit freudiger Stimme etwas.
»Er ist glücklich, daß sein Herr wieder lächelt«, übersetzte Den. »Er sagt, die Rache habe seinem Herrn gutgetan. Es sei natürlich sehr schade um Midori-san, aber es werde noch andere Frauen geben.«
Dann lief Masa los, um den Auftrag auszuführen, und Tamba schickte auch seinen Neffen fort. Nun waren sie zu zweit.
»Von dort hat man einen guten Blick.« Der Jonin zeigte auf einen hohen Felsen, an dessen Fuß sich weiß schäumend die Brandung brach.
Sie stiegen einen schmalen Pfad hinauf; der Shinobi voran, der Vizekonsul hinter ihm.
Fandorin war fast anderthalbmal so groß wie Tamba und trug seine Herstal bei sich, zudem drehte sein Gegner ihm den Rücken zu, aber er wußte: Gegen den hageren kleinen Greis war er hilflos wie ein Kind. Dieser konnte ihn jeden Augenblick töten.
Na, wenn schon, dachte Fandorin. Er hatte keine Angst vorm Sterben. Es kümmerte ihn nicht einmal sonderlich.
Sie setzten sich an den Rand des Steilufers und ließen die Beine baumeln.
»Der Sonnenaufgang über der Schlucht war natürlich viel schöner«, seufzte Tamba und dachte wohl an sein zerstörtes Haus. »Dafür ist hier das Meer.«
Am Horizont zeigte sich gerade
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