Diamantene Kutsche
nachdenken.«
»Shirota hat sich bereits entschieden, er hat es nur noch nicht begriffen. Jetzt wird alles ganz einfach sein.«
Der alte Ninsomeister hatte sich nicht geirrt.
Die Operation schien so simpel, daß Tamba sie nur mit Den ausführenwollte, aber Fandorin wollte unbedingt ebenfalls daran teilnehmen. Er wußte, daß er den Schattenkriegern eine Last sein würde, fürchtete jedoch, daß der Reif um seine Brust sich niemals lösen würde, wenn er Tsurumaki nicht eigenhändig vernichtete.
An einem einsamen Ort, auf einem Hochufer am Meer, legten sie schwarze Kleider an und verhüllten ihre Gesichter mit Masken.
»Ein echter Shinobi«, sagte Tamba kopfschüttelnd, als er Fandorin musterte. »Nur sehr groß …«
Masa sollte dableiben und ihre Kleider bewachen, und als er dagegen protestierte, griff Tamba nach seinem Hals, drückte leicht darauf, und der Meuterer schloß die Augen, legte sich auf die Erde und schlief.
Sie gingen nicht zum Tor – dort standen rund um die Uhr Posten. Sie nahmen den Weg durch den Garten des ehrenwerten Bullcocks. Die wilden Mastiffs bändigte der junge Den – er blies dreimal in ein Rohr, und die Ungeheuer fielen wie Masa in friedlichen Schlummer.
Als sie an dem vertrauten Haus mit den dunklen Fenstern vorbeikamen, schaute Fandorin immer wieder zum ersten Stock hinauf und forschte, ob sich in seiner Seele etwas regte. Nein.
Vor der Pforte zum Nachbargrundstück blieben sie stehen. Den holte eine Pfeife hervor und zirpte damit wie eine Zikade.
Die Pforte öffnete sich geräuschlos, nicht einmal die Feder quietschte. Darum hatte sich Shirota gekümmert – er hatte sie eingeölt.
»Da.« Fandorin zeigte in Richtung Teich, wo schwarz die Silhouette des Pavillons schimmerte.
Alles sollte dort enden, wo es begonnen hatte. Shirota hatte in einer ausführlichen Nachricht mitgeteilt, daß Tsurumaki nicht im Haus übernachtete – in seinem Schlafzimmer lag einer seiner Männer, der ihm sehr ähnlich sah und sich überdies einen Bart angeklebt hatte. Der Hausherr selbst, der nicht sonderlich auf seineWachposten vertraue, schliefe im Pavillon, was außer Shirota und zwei Leibwächtern niemand im Haus wisse.
Darum hielt Tamba die Operation für simpel.
Als sie sich dem Pavillon näherten, in dem er so viele glückliche Stunden erlebt hatte, lauschte Fandorin erneut auf sein Herz – pochte es schneller? Nein.
Der Jonin legte ihm eine Hand auf die Schulter und bedeutete ihm, sich auf den Boden zu legen. Weiter gingen die Shinobi allein. Sie krochen nicht, verharrten nicht auf der Stelle, sie liefen einfach, aber auf so verblüffende Weise, daß Fandorin sie kaum sah.
Über Rasen und Wege huschten die Schatten nächtlicher Wolken, und Tamba und sein Neffe verstanden es, sich stets in den dunklen Flecken zu halten, nie auf eine beleuchtete Stelle zu geraten.
Als der Posten hinterm Teich plötzlich den Kopf wandte und horchte, erstarrten sie in völliger Reglosigkeit. Fandorin meinte, der Leibwächter schaue direkt zu den Schattenkriegern, die nur ein Dutzend Schritte entfernt waren, doch der Posten gähnte und starrte wieder auf das blinkende glatte Wasser.
Fandorin vernahm einen kaum hörbaren Laut, der wie ein kurzes Ausatmen klang. Der Posten sank weich zur Seite und ließ seinen Karabiner fallen. Den hatte aus seinem Blasrohr einen Dorn abgeschossen. Das Schlafmittel wirkte sofort. Nach einer Viertelstunde würde der Mann wieder erwachen und glauben, er sei nur für einen Augenblick eingenickt.
Der junge Ninja lief zur Hauswand und bog um die Ecke. Kurz darauf kam er zurück und gab ein Zeichen: Auch der zweite Leibwächter war betäubt.
Fandorin konnte aufstehen.
Tamba erwartete ihn vor der Tür, ließ ihm jedoch nicht den Vortritt, sondern glitt als erster ins Haus.
Er beugte sich nur einen kurzen Augenblick lang über den Schlafenden,dann sagte er leise, aber nicht flüsternd: »Geh rein. Er gehört dir.«
Ein Licht flammte auf – die Nachtlampe, die Fandorin so oft benutzt hatte. Auf dem Futon lag Tsurumaki, die Augen geschlossen.
Auch das Bett war dasselbe …
Tamba blickte zu dem Schlafenden und schüttelte den Kopf.
»Ich habe auf seinen Schlafpunkt gedrückt, er wird nicht aufwachen. Ein schöner Tod – keine Angst, kein Schmerz. Ein solcher Akunin hat eigentlich Schlimmeres verdient.« Er reichte Fandorin einen angespitzten Holzstab. »Stich ihm damit in die Brust oder in den Hals. Nur leicht, so daß nur ein Tropfen Blut austritt. Das genügt.
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