Diamantene Kutsche
ein unglückliches Zusammentreffen von Umständen, aber das war ein schwacher Trost.
Wertvolle Zeit war vergeudet, die Spur hoffnungslos verloren.
Das Moskauer Stadtoberhaupt und die Kriminalpolizei wollten Fandorin ihre Dankbarkeit für die Ergreifung der frechen Bande bekunden, doch er zog sich zurück und überließ die Lorbeeren Mylnikow und dessen Agenten, welche die gefesselten Banditen lediglich aufs nächstgelegene Polizeirevier gebracht hatten.
Zwischen Fandorin und dem Hofrat kam es zu einer Auseinandersetzung, wobei Mylnikow gar nicht daran dachte, etwas zu leugnen. Er richtete seine Augen, die eine permanente Enttäuschung von der Menschheit ausgeblichen hatte, auf Fandorin und gestand ohne die geringste Verlegenheit: Jawohl, er habe seine Agenten auf Fandorin angesetzt und sei selbst nach Moskau gekommen, denn er wisse aus Erfahrung – Fandorin habe ein einmaliges Gespür, mit seiner Hilfe würden sie eher auf eine Spur stoßen, als wenn sie sich selbst die Hacken abliefen. Die Saboteure hätte er zwar nicht gefaßt, aber er stehe trotzdem nicht mit leeren Händen da – für die Warschauer Räuber winke ihm eine Belobigung von der Obrigkeit und eine Prämie.
»Und statt mich zu beschimpfen, sollten Sie lieber einsehen, daßwir beide uns besser zusammentun«, schloß Mylnikow friedfertig. »Was können Sie ohne mich schon ausrichten? Ihre Eisenbahngendarmerie darf nicht einmal Ermittlungen führen. Ich dagegen schon, außerdem habe ich aus Petersburg meine besten Spürhunde mitgebracht, fähige Männer, einer wie der andere. Also einigen wir uns im guten, Erast Petrowitsch, ganz freundschaftlich. Sie stellen den Kopf, wir die Arme und Beine.«
Der Vorschlag dieses wenig ehrenwerten Herrn war tatsächlich durchaus vernünftig.
»Schön, also im guten. Aber denken Sie daran, Mylnikow«, warnte Fandorin, »sollten Sie tricksen und hinter meinem Rücken handeln, dann w-werde ich nicht lange fackeln. Ich werde keine Beschwerde an die Obrigkeit schreiben, ich werde einfacher vorgehen: Ein fester Druck auf den Bakajaro-P-punkt auf Ihrem Bauch, und es ist aus mit Ihnen. Und keiner wird etwas ahnen.«
Es gab keinen Bakajaro-Punkt, aber Mylnikow, der wußte, wie gut Fandorin diverse japanische Kunststückchen beherrschte, wurde ganz blaß.
»Machen Sie mir keine Angst, mit meiner Gesundheit steht es ohnehin nicht zum besten. Warum sollte ich Sie hintergehen? Wir ziehen doch an einem Strang. Ich bin der Ansicht, daß wir den Dämon, der die Brücke gesprengt hat, ohne Ihre japanischen Tricks nicht fassen werden! Wir müssen den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.«
Fandorin hob leicht die Braue – scherzte sein Gegenüber? Aber der Hofrat schien todernst, und in seinen Augen glomm Feuer.
»Denken Sie, Mylnikow hat kein Hirn und kein Herz? Denken Sie, ich sehe nichts und mache mir keine Gedanken?« Mylnikow blickte sich um und senkte die Stimme. »Wer ist unser Imperator? Ein Gesalbter des Herrn, richtig? Also müßte der Herr ihn doch vor dem gottlosen Japaner beschützen, oder? Und was geschieht? Das christliche Heer wird nach Strich und Faden vermöbelt! Und von wem? Von einem kleinwüchsigen, schwachen Volk. Und zwardeshalb, weil Satan hinter dem Japaner steht, er verleiht den Gelbfressen die Kraft. Der Allmächtige aber hat sich von unserem Imperator abgewandt, er will ihm nicht helfen. Ich habe hier im Departement einen geheimen Bericht gelesen, aus dem Gouvernement Archangelsk. Dort verkündet ein Greis, ein Raskolnik: Den Romanows sei es bestimmt, dreihundert Jahre zu herrschen, nicht länger, das sei ihr Schicksal. Diese dreihundert Jahre gingen nun zu Ende. Deshalb würde ganz Rußland bestraft. Vielleicht ist das ja wahr?«
Fandorin mochte sich diesen Unsinn nicht weiter anhören. Er runzelte die Stirn und sagte: »Hören Sie auf mit Ihren Agententricks. Wenn ich mit jemandem über das Schicksal der Zarendynastie reden will, dann werde ich mir dazu nicht gerade jemanden von der Geheimpolizei suchen. Gehen Sie nun an die Arbeit, oder wollen Sie mich weiter mit albernen P-provokationen behelligen?«
»An die Arbeit, an die Arbeit!« Mylnikow lachte steif, doch die Fünkchen in seinen Augen glommen weiter.
Inzwischen hatten die Experten die Untersuchung des Tatorts abgeschlossen und einen Bericht vorgelegt, der Fandorins Hypothese voll und ganz bestätigte.
Die Explosion von mittlerer Stärke, die den Einsturz verursacht hatte, war von einem Melinit-Sprengkörper von 12–14 Funt 1
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