Diamantene Kutsche
Jahren dort, er kennt alle bedeutenden Personen …«
Hierauf folgte eine vielsagende, allerdings nur kurze Pause, denn Rybnikow sagte rasch: »Je ein Rubel für Sie und Ihren Vetter.«
»He, he wo willst du hin?« herrschte der Beamte einen Bauern an, der hereinkommen wollte. »Es ist halb zwei, siehst du das nicht? Ich hab Mittag. Komm in einer Stunde wieder! Und Sie, mein Herr«, flüsterte er Rybnikow zu, »warten Sie hier. Ich bin gleich zurück.«
Natürlich blieb Rybnikow nicht im Kontor. Er wartete draußen, im Torbogen verborgen. Man konnte nie wissen. Womöglich war dieser Akaki Akakijewitsch ja gar nicht so einfältig, wie er tat.
Doch die übertriebene Vorsicht war unnötig.
Nach einer Viertelstunde kam der Beamte zurück, überaus zufrieden.
»Eine berühmte Persönlichkeit! Wie es so schön heißt: Weithin bekannt in engen Kreisen!« verkündete er dem zurückkommenden Rybnikow. »Pantelej Iljitsch hat mir eine ganze Menge erzählt über Ihren Fandorin! Er war mal ein großer Mann, in früheren Zeiten, unter Dolgorukoi.«
Während des Berichts über die einstige Größe des Sonderbeauftragten des Gouverneurs gab Rybnikow Ausrufe des Erstaunens von sich und klatschte verblüfft in die Hände; die wichtigste Überraschung aber erwartete ihn am Schluß.
»Sie haben Glück«, sagte der Beamte und breitete theatralisch die Arme aus wie ein Zauberkünstler. »Ihr Herr Fandorin ist zur Zeit in Moskau, aus Petersburg angereist. Er schaut jeden Tag bei Pantelej Iljitsch vorbei.«
»Er ist in Moskau?« rief Rybnikow. »Was Sie nicht sagen! Wahrhaftig, was für ein Glück! Wissen Sie, ob er lange bleiben wird?«
»Das ist unbekannt. Es geht um eine hochwichtige Staatsangelegenheit, worum genau, hat Pantelej Iljitsch nicht gesagt, ich habe auch nicht weiter nachgefragt. Das geht unsereinen nichts an.«
»Das ist wahr.« Rybnikows Augen glitten mit einem besonderen Ausdruck über das Gesicht seines Gegenübers und verengten sich kaum merklich. »Sie haben Ihrem Vetter doch nicht gesagt, daß ein Bekannter nach Erast Petrowitsch sucht?«
»Nein, ich hab so getan, als würde es mich persönlich interessieren.«
Er sagt die Wahrheit, schloß Rybnikow, er will beide Rubel selber behalten – und sein Blick wurde wieder normal. So erfuhr der Schreiber nicht, daß sein kleines Leben soeben an einem sehr dünnen Faden gehangen hatte.
»Sehr schön, daß Sie es ihm nicht gesagt haben. Ich werde ihn überraschen, zur Erinnerung an meinen seligen Vater. Das wird eine Freude für Erast Petrowitsch!« Rybnikow lächelte strahlend.
Doch als er das Gebäude verließ, zuckte sein Gesicht nervös.
Das alles geschah an jenem Tag, an dem Glikerija mit einer neuen Idee zu ihrem Rendezvous gekommen war: Sich an einen guten Bekannten zu wenden, den Chef der Moskauer Gendarmerieverwaltung Scharm. Sie versicherte, Konstantin Fjodorowitsch sei ein reizender alter Mann, ganz wie sein Name es versprach, und würde ihr nichts abschlagen.
»Was sollte das bringen?« sträubte sich Rybnikow. »Meine Liebe, ich bin schließlich ein Staatsverbrecher, ich habe Geheimdokumente verloren und bin geflohen. Wie könnte mir Ihr Gendarmeriegeneral da helfen?«
Doch Glikerija rief lebhaft: »Sagen Sie das nicht! Konstantin Fjodorowitsch hat mir selbst erklärt, wie viel von dem Beamten abhängt,der eine Untersuchung führt. Er kann sie zum Bösen wenden oder zum Guten. Ach, wenn man wüßte, wer sich mit Ihrem Fall befaßt!«
Da platzte Rybnikow, einem plötzlichen Impuls folgend, heraus: »Ich weiß es. Sie haben ihn gesehen. Erinnern Sie sich, an der Brücke – so ein großer Herr mit grauen Schläfen?«
»Elegant, im hellen englischen Mantel? Ich erinnere mich, ein imposanter Mann.«
»Er heißt Fandorin, Erast Petrowitsch. Er ist extra meinetwegen aus Petersburg angereist. Setzen Sie sich um Gottes willen nicht für mich ein, Sie bringen sich nur in den Verdacht, einen Deserteur zu verbergen. Aber wenn Sie vorsichtig, ganz nebenbei, herausfinden könnten, was für ein Mensch er ist, seine Lebensweise, seinen Charakter – das könnte mir helfen. Jede Kleinigkeit ist wichtig. Aber Sie müssen äußerst diskret vorgehen!«
»Ihr Männer braucht uns nicht Diskretion zu lehren«, sagte Glikerija herablassend und überlegte bereits, wie sie die Sache anpacken wollte. »Diesem Kummer werden wir abhelfen, der Morgen ist klüger als der Abend.«
Rybnikow bedankte sich nicht, bedachte sie aber mit einem Blick, von dem ihr ganz warm
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