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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Das ist doch ungeheuerlich! Der Krieg ist in einem Monat oder in einem halben Jahr vorbei, und er soll zur Zwangsarbeit? Oder noch Schlimmeres? Das ist nicht menschlich, nicht christlich, geben Sie es zu!« Sie war so aufrichtig, so durchdrungen von ihrer Empörung, daß ihr Tränen in die Augen traten.
    Selbst der gefühllose Fandorin war perplex – er schaute sie erstaunt, ja sogar verwirrt an.
    »Wie konnten Sie denken, ich wolle meinen Liebhaber retten!« sagte Glikerija bitter, um ihren Erfolg zu bekräftigen. »Würde ichetwa, wenn ich einen Mann liebte, einen anderen zu mir nach Hause locken? Ja, anfangs wollte ich Sie umgarnen, um Wassja zu helfen, aber … Aber Sie haben mir tatsächlich den Kopf verdreht. Ich gestehe, ich habe sogar vergessen, weshalb ich Sie betören wollte. Wissen Sie, auf einmal zog sich hier alles zusammen …« Sie griff sich unter das Mieder, um ihre Brust, die auch so nicht übel war, besser zur Geltung zu bringen.
    Glikerija sagte mit vor Leidenschaft ganz dumpfer Stimme noch ein paar Sätze in diesem Sinn, ohne sich um deren Glaubwürdigkeit zu kümmern – Männer glauben solche Worte bekanntlich, besonders, wenn die Beute so greifbar nahe ist.
    »Ich bitte Sie um nichts. Und ich werde Sie auch um nichts bitten. Vergessen wir das alles …«
    Sie warf den Kopf zurück und drehte ihn ein wenig zur Seite. Erstens sah sie so am vorteilhaftesten aus, und zweitens konnte er sie so am bequemsten küssen.
    Eine Sekunde verging, eine zweite, eine dritte.
    Kein Kuß.
    Die Lidina öffnete die Augen einen Spalt und stellte fest, daß Fandorin nicht sie anschaute, sondern zur Seite blickte. Dabei gab es dort nichts Interessantes zu sehen, nur einen Telefonapparat an der Wand.
    »Er hat eine Z-zeichnung verloren? Das hat Rybnikow Ihnen gesagt?« fragte der Untersuchungsfüher nachdenklich. »Er hat Sie belogen, meine Dame. Dieser Mann ist ein japanischer Spion. Wenn Sie mir nicht sagen wollen, wo er ist – das ist auch nicht nötig. Ich f-finde es ohnehin noch heute heraus. Leben Sie wohl.«
    Er wandte sich um und verließ die Wohnung.
    Glikerija knickten fast die Beine ein. Ein Spion? Was für ein ungeheuerlicher Verdacht! Der arme Wassja! Sie mußte ihn unverzüglich warnen! Die Gefahr war noch viel ernster, als er dachte! Undaußerdem hatte Fandorin gesagt, er würde noch heute herausfinden, wo sich Wassja versteckt!
    Sie griff nach dem Telefonhörer, fürchtete aber plötzlich, daß der Untersuchungsführer womöglich auf der Treppe lauschte. Sie riß die Tür auf – da war niemand, eilige Schritte liefen die Stufen hinab.
    Sie kehrte zurück und rief an.
    »Pensionat ›Saint-Saëns‹«, gurrte eine Frauenstimme. Im Hintergrund wurde auf dem Klavier eine fröhliche Polka gespielt.
    »Ich muß dringend mit Wassili Alexandrowitsch sprechen.«
    »Der ist nicht da.«
    »Ist er bald zurück?«
    »Er legt uns keine Rechenschaft ab.«
    Was für ein ungezogenes Dienstmädchen! Die Lidina stampfte vor Verzweiflung mit dem Fuß auf.
    Es gab nur einen Ausweg: Hinfahren und auf ihn warten.
     
    Der Portier starrte die Besucherin an, als stünde vor ihm keine gutgekleidete, hochanständige Dame, sondern ein Teufel mit Hörnern, und trat ihr in den Weg.
    »Zu wem wollen Sie?« fragte er mißtrauisch.
    Aus der Tür klang, wie vorhin aus dem Telefonhörer, kreuzfidele Musik. Und das in einem Mädchenpensionat, nach zehn Uhr abends?
    Ach ja, heute ist ja der 26. Mai, Schuljahresende, erinnerte sich Glikerija. Da gab es im Pensionat bestimmt eine Abschlußfeier, und darum standen auch so viele Kutschen auf dem Hof – die Eltern waren zu Besuch. Kein Wunder, daß der Portier keinen Fremden einlassen wollte.
    »Ich will nicht zu der Feier«, erklärte ihm die Lidina. »Ich muß auf Herrn Rybnikow warten. Er kommt doch bestimmt bald.«
    »Er ist schon da. Aber zu ihm gehen Sie bitte dort hinein.« Der Portier wies auf den Seitenflügel.
    »Ach ja, wie dumm von mir! Natürlich, schließlich kann Wassja nicht mit den Pensionsschülerinnen zusammenwohnen!«
    Seideraschelnd eilte sie die Treppe hinauf. Sie klingelte hastig und klopfte obendrein.
    Die Fenster der Wohnung waren dunkel. Kein Schatten, kein Laut.
    Glikerija rief ungeduldig: »Wassili Alexandrowitsch! Ich bin’s! Es ist dringend und schrecklich wichtig!«
    Augenblicklich, in derselben Sekunde, wurde die Tür geöffnet.
    Auf der Schwelle stand Rybnikow und sah die ungebetene Besucherin stumm an. »Warum ist es denn bei Ihnen so dunkel?« fragte

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