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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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aurora …«
    Nun strömten die Tränen aus Glikerijas schönen Augen noch heftiger.
    Vierte Silbe,
in welcher unpassend der Japanische Gott
erwähnt wird
    Kaum hatte Mylnikow den Bericht des Chefs der Brigade gelesen, die als Ersatz für die von stählernen Sternen niedergemetzelten Agenten aus Petersburg eingetroffen war, sprang er vom Schreibtisch auf und stürzte zur Tür, wobei er sogar seine Melone vergaß.
    Vor dem Tor der Geheimpolizei standen amtseigene Kutschen bereit, und von der Gnesdikowski-Gasse bis zum Tschistoprudny-Boulevard brauchte man, wenn man Glück hatte, zehn Minuten.
    »Ach je, ach je«, murmelte der Hofrat vor sich hin und versuchte, den Brief noch einmal zu lesen, was gar nicht so einfach war: Die Kutsche holperte übers Pflaster, die Laternen gaben nicht genug Licht, und Smurows Schrift sah aus wie Hühnerkrakel. Offenkundig war der erfahrene Agent, der den Auftrag hatte, Fandorin zu überwachen, wirklich aufgeregt gewesen – die Buchstaben hüpften, die Zeilen waren schief und krumm.
     
    »Dienst übernommen um 8 von O.-Agent Shutschenko, vor dem Haus von General Scharm. Der Schwarzhaarige verließ das Haus drei Minuten vor 9 in Begleitung einer Dame, Deckname Fiffi. Sie fuhren mit einer Droschke in die Ostoshenka, zum Bomse-Haus. Um 9.37 verließ der Schwarzbraune das Haus wieder, fünf Minuten später kam Fiffi herausgerannt – sie wirkte so aufgeregt, daß es mir interessant erschien. Sie fuhr bis zum Tschistoprudny-Boulevard, entließ die Droschke vor dem Pensionat ›Saint-Saëns‹ und stieg die Treppe zum Seitenflügel hinauf. Sie klingelte und klopfte, doch es wurde lange nicht geöffnet. Von meiner Position aus konnte ich sehen, wie ein Mann aus dem Fenster schaute, sie entdeckte und sich versteckte. Gegenüber steht eine Straßenlaterne, und ich konnte sein Gesicht gut
sehen. Es kam mir bekannt vor. Dann fiel mir wieder ein, wo ich ihn schon einmal gesehen hatte: in Petersburg, in der Nadeshdinskaja (Deckname Kalmücke). Da erst bemerkte ich, daß auf ihn auch die Beschreibung des Akrobaten paßt, die im Rundschreiben kursierte. Er ist es, Jewstrati Pawlowitsch, bei Gott, er ist es!
    Oberagent Smurow.«
     
    Der Rapport entsprach nicht ganz den Vorschriften, besonders der Schluß verstieß in unerlaubter Weise dagegen, doch das nahm Mylnikow seinem Agenten nicht übel.
    »Und, wie sieht’s aus? Ist er noch drin?« bestürmte Mylnikow den Agenten, als er aus der Kutsche sprang.
    Smurow saß im Gebüsch, hinter der Umzäunung einer Grünanlage, von wo aus der von zahlreichen farbigen Laternen hell erleuchtete Hof des Pensionats gut einzusehen war.
    »Jawohl. Kein Zweifel, Jewstrati Pawlowitsch, Kroschkin sitzt drüben auf der anderen Seite. Wenn der Kalmücke durchs Fenster abgehauen wäre, hätte Kroschkin gepfiffen.«
    »Na, dann erzähl mal.«
    »Also.« Smurow hielt sich sein Notizbuch vor die Augen. »Fiffi war nicht lange beim Kalmücken, nur fünf Minuten. Um 10.38 Uhr kam sie rausgerannt und hat sich dabei die Tränen abgewischt. Um 10.42 Uhr kam aus dem Haupteingang eine Frau, ich hab sie Pfauhenne genannt. Sie stieg die Treppe rauf und ging rein. Bis 11.20 Uhr blieb sie drin. Dann kam sie raus, hat geschluchzt und leicht geschwankt. Mehr war nicht.«
    »Womit macht der schlitzäugige Unhold den Weibern bloß solchen Kummer?« fragte Mylnikow erstaunt. »Na, egal, gleich machen wir ihm mal ein bißchen Kummer. Also folgendes, Smurow. Ich habe sechs Mann mitgebracht. Einen lasse ich bei dir. Ihr drei übernehmt die Fenster. Ich gehe mit den übrigen den Japaner festnehmen. Er ist zwar gerissen, aber wir sind auch nicht mit demKlammerbeutel gepudert. Außerdem ist es schon dunkel bei ihm, bestimmt ist er schlafen gegangen. Erschöpft von den Weibern.«
    Geduckt rannten sie über den Hof. Am Fuß der Treppe zogen sie die Stiefel aus – Lärm konnten sie jetzt nicht gebrauchen.
    Mylnikows Männer waren ausgesuchte Spezialisten, einfach Gold wert. Sie brauchten keine Erklärungen, Gesten genügten.
    Er schnippte mit dem Finger nach Sapljukin, und der beugte sich sofort über das Türschloß, stocherte mit dem Dietrich herum, träufelte Öl hinein und öffnete kurz darauf lautlos die Tür.
    Mylnikow trat als erster in die dunkle Diele, eine bequeme Waffe gezückt – einen Kautschukstab mit Bleikern. Sie brauchten den Japaner lebend, damit Fandorin keinen Ärger machte.
    Mylnikow knipste eine kleine Taschenlampe an und tastete mit dem Strahl drei weiße Türen ab: eine

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