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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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fragte Masa: »Herr, ist das eine Einmischung in den Verlauf des Krieges?«
    »Nein«, beruhigte ihn Fandorin, wobei er ein wenig schwindelte, aber er hatte keine andere Wahl. »Mylnikow ist nicht da, und die Eisenbahngendarmen sind für eine professionelle Überwachung ungeeignet. Du sollst nur das Pensionat ›Saint-Saëns‹ beobachten und mir mitteilen, wenn du etwas Interessantes bemerkst. Ganz in der Nähe befindet sich das Elektrotheater ›Orlando‹, dort gibt es ein öffentliches Telefon. Du erreichst mich unter der Nummer …«
    »20-93«, soufflierte Lissizki, der an jedes Ohr einen Kopfhörer gepreßt hatte.
    »Ein Anruf, links!« rief er kurz darauf. Fandorin griff nach dem
    Hörer und vernahm eine blasierte Männerstimme.
    »Beatrice, meine Liebe, ich brenne vor Verlangen, ich halte es nicht mehr aus. Ich komme gleich zu Ihnen. Halten Sie mein Kabinett bereit. Und Suleika, unbedingt.«
    »Suleika hat gerade einen Kavalier«, antwortete eine sanfte, angenehme Frauenstimme am anderen Ende. Der Mann war empört. »Einen Kavalier? Wen? Wenn es von Weil ist, das verzeihe ich Ihnen nicht!«
    »Sie bekommen Madame Frida«, gurrte die Frau. »Erinnern Sie sich – so eine Große, wunderbar gebaut. Eine Meisterin der Peitsche, nicht schlechter als Suleika. Euer Exzellenz werden zufrieden sein.«
    Der Stabsrittmeister bebte vor unterdrücktem Lachen, und Fandorin warf ärgerlich den Hörer hin.
    Im Laufe der nächsten Stunde kamen viele Anrufe, einige davon noch pikanterer Art, aber alle in Lissizkis linkes Ohr, also unter der Nummer 114-22, das andere Telefon blieb stumm.
    Es regte sich erst um halb zwölf, ein Anruf vom Pensionat aus. Ein Mann verlangte die Nummer 42-13.
    »42-13 – was ist das?« fragte Fandorin flüsternd, während das Fräulein die Verbindung herstellte.
    Der Gendarm blätterte bereits im Telefonbuch. Als er die Nummer gefunden hatte, wies er auf die betreffende Zeile.
    »Restaurant ›Windrose‹«, las Fandorin.
    »Restaurant ›Windrose‹«, ertönte es im Hörer. »Ich höre.«
    »Mein Bester, rufen Sie bitte Herrn Miroschnitschenko an den Apparat, er sitzt an einem Tisch am Fenster, allein«, bat das »Saint-Saëns« mit einer Männerstimme.
    »Sofort, mein Herr.«
    Minutenlanges Schweigen. Dann fragte ein ruhiger Bariton aus dem Restaurant: »Sind Sie es?«
    »Wie abgesprochen. Sind Sie bereit?«
    »Ja. Um ein Uhr nachts sind wir da.«
    »Es ist viel. Fast tausend Kisten«, warnte das Pensionat.
    Fandorin preßte den Hörer so heftig, daß seine Finger weiß wurden. Waffen! Ein Transport mit japanischen Waffen, was sonst!
    »Ich habe genügend Leute«, erwiderte das Restaurant selbstsicher.
    »Wie werden Sie transportieren? Auf dem Wasserweg?«
    »Selbstverständlich. Warum hätte ich sonst ein Lagerhaus am Wasser gebraucht? Sagen Sie mir, wo das Lagerhaus ist.«
    In diesem Augenblick blinkte der Apparat vor Lissizki.
    »Das Sondertelefon«, flüsterte er, griff nach dem Hörer und drehte die Kurbel. »Für Sie, Erast Petrowitsch. Dringend. Ich glaube, Ihr Diener.«
    »Hören Sie weiter zu!« sagte Fandorin und nahm Lissizki den Hörer ab. »Ja?«
    »Herr, Sie haben gesagt, ich soll mitteilen, wenn was Interessantes ist«, sagte Masa auf Japanisch. »Es ist sehr interessant, kommen Sie her.«
    Er gab keine weiteren Erklärungen, offenbar war das Elektrotheater sehr voll.
    Inzwischen war das Gespräch zwischen der »Windrose« und dem »Saint-Saëns« beendet.
    Fandorin wandte sich ungeduldig zu Lissizki um. »Und, hat er den Ort g-genannt?«
    Der zuckte bekümmert die Achseln. »Wahrscheinlich genau in den zwei Sekunden, als Sie den Hörer beiseite gelegt haben und ich ihn noch nicht genommen hatte. Ich habe nur gehört, wie der Mann im Restaurant gesagt hat: ›Ja, ja, kenne ich.‹ Was befehlen Sie? Ein Kommando in die ›Windrose‹ und eins ins ›Saint-Saëns‹?«»Nicht nötig. Im Restaurant werden Sie niemanden mehr antreffen. Und um das Pensionat kümmere ich mich selbst.«
     
    Während Fandorin in einer Kutsche durch die nächtlichen Boulevards jagte, dachte er an die furchtbare Gefahr, in der die altehrwürdige Stadt schwebte – nein, nicht nur sie, der ganze tausendjährige Staat. Schwarze Massen, ausgerüstet mit japanischen (oder wer weiß was für welchen) Gewehren, riegeln die Gassen mit Barrikaden ab. Von den Vorstädten breitet sich ein Blutfleck bis zum Zentrum aus. Ein anhaltendes, erbittertes Gemetzel, in dem es keine Sieger gibt, sondern nur Tote und

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