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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Nikolaus. Die einzige Rettung wäre eine Konstitution, überlegte Fandorin, der sich trotz seines reifen Alters noch eine Neigung zum Idealismus bewahrt hatte. Damit das Volk den Willen der Regierung nicht aus Gottesfurcht befolgt, sondern weil es mit diesem Willen einverstanden ist. Doch wenn es jetzt zu einem bewaffneten Aufstand kommt, ist alles zu Ende. Und dann spielt es auch keine Rolle mehr, ob die Monarchie den Aufstand im Blut ertränken kann oder nicht. Ist der Geist erst aus der Flasche, wird der Thron so oder so einstürzen – wenn nicht heute, dann in ein paar Jahren, bei der nächsten Erschütterung.
    Trübe schimmerten in der Dunkelheit bauchige Eisenzisternen – die Öltanks der Nobel-Gesellschaft. An dieser Stelle machte der Fluß eine Biegung.
    Fandorin tippte den Kutscher an die Schulter, damit er hielt. Er lauschte – aus der Ferne, vom Wasser her, drang gleichmäßiges, mechanisches Ächzen.
    Fandorin winkte den Agenten. »Mir nach!«
    Sie trabten durch ein Wäldchen. Der Wind wehte Teergeruch heran – irgendwo in der Nähe, hinter den Bäumen, lag der Postyloje-See.
    »Ja!« hauchte der älteste Agent (er hieß Smurow). »Das müssen sie sein!«
    Unterhalb der sanften Böschung lag ein Kai, an dem mehrere Lastkähne festgemacht hatten. Der kleinste hing an einem steilwandigen Schlepper, der unter Dampf stand. Dessen Schnaufen hatte Fandorin gehört.
    Aus einem Lagerhaus dicht am Kai kamen zwei Träger mit einer Kiste gelaufen und verschwanden im Bauch des kleinen Kahns. Ihnen folgte ein weiterer Mann, der etwas Quadratisches auf den Schultern trug.
    »Ja, das sind sie.« Fandorin lächelte und vergaß seine apokalyptischen Visionen augenblicklich. »Sie haben es eilig, die S-sansculotten!«
    »Wer?« fragte Kroschkin, der zweite Agent.
    Der belesenere Smurow klärte ihn auf: »Das waren solche Kämpfer, so ähnlich wie die Sozialrevolutionäre. Hast du schon mal was von der französischen Revolution gehört? Nein? Und von Napoleon? Na, wenigstens etwas.«
    Ein Packer kam aus dem Lagerhaus, dann schleppten gleich drei Männer etwas sehr Schweres heraus. An einem Ende des Kais flammte ein Streichholz auf, das in der nächsten Sekunde zu einem kleinen roten Punkt verglomm. Dort standen zwei weitere Männer.
    Fandorin hörte auf zu lächeln und wirkte nun besorgt.
    »Es sind ziemlich viele.« Er schaute sich um. »Was ist das Dunkle da hinten? Eine Brücke?«
    »Jawohl. Eine Eisenbahnbrücke. Für die neue Ringstrecke.«
    »Ausgezeichnet! Kroschkin, da drüben auf der anderen Seite, hinterm See, liegt die Bahnstation Koshuchowo. Fahren Sie rasch dorthin. Auf der Station muß es ein T-telefon geben. Rufen Sie Oberstleutnant Danilow an, die Nummer ist 77-235. Wenn der Oberstleutnant nicht da ist, sprechen Sie mit dem diensthabendenOffizier. Schildern Sie ihm die Situation. Er soll die P-posten, die Diensthabenden, alle Männer, die er kriegen kann, auf Draisinen setzen. Und herschicken. Los, laufen Sie. Aber geben Sie mir Ihren Revolver. Und Ihre Reservepatronen, wenn Sie welche haben. Sie brauchen Sie nicht, aber mir k-können Sie vielleicht nützen.«
    Der Agent rannte im Sturmschritt zurück zur Kutsche.
    »Na dann, Smurow, schleichen wir uns näher ran. Da drüben liegt ein hervorragender Schienenstapel.«
     
    Während Drossel seine Pfeife anrauchte, schaute Rybnikow auf die Uhr.
    »Viertel vor drei. Es wird bald hell.«
    »Keine Angst, das schaffen wir. Der größte Teil ist schon verladen.« Der Sozialrevolutionär nickte zum großen Kahn hinüber. »Bleibt nur noch die Ladung für Sormowo. Eine Kleinigkeit, nur ein Fünftel der Fracht. Schneller, Genossen, schneller«, trieb er die Packer an.
    Ihr seid zwar alle Genossen, aber die Kisten schleppst du nicht selber, dachte Rybnikow flüchtig und überlegte, wann er am besten auf das Wichtigste zu sprechen kommen sollte – den Termin für den Aufstand.
    Drossel lief gemächlich in Richtung Lagerhaus. Rybnikow folgte ihm.
    »Und wann ist der Moskauer dran?« fragte er nach dem wichtigsten Lastkahn.
    »Den bringen die Flußschiffer morgen früh nach Fili. Und von dort wieder woanders hin. Wir werden ihn von einem Ort zum anderen fahren, damit er nicht auffällt. Der kleine geht gleich nach Sormowo, die Moskwa runter, dann über die Oka.«
    Es waren kaum noch Kisten im Lagerhaus, nur noch flache Kartons mit Zündschnüren und Fernzündern.
    »Wie heißt ›merci‹ in Ihrer Sprache?« fragte Drossel grinsend.
    »Arigato.«
    »Na dann, ein

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