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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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so will – spielen wir eben. Ist sein eigener Schade.«
    Wieder klapperten die Würfel im Becher. Nun hatten sich alle Anwesenden um den Tisch versammelt – bis auf die teilnahmslosen Raucher und die beiden Türhüter, doch auch die erhoben sich auf Zehenspitzen, um wenigstens über die gebeugten Rücken hinweg etwas zu erspähen.
    Nur Fandorin war gelangweilt. Er wußte, daß er bei Glücksspielen jeder Art einer geheimnisvollen Laune des Schicksals zufolge immer gewann, selbst dann, wenn er die Spielregeln kaum kannte. Warum sollte er sich also wegen dieses albernen »gerade-ungerade« Sorgen machen? Ein anderer mit dieser seltenen Gabe wäre an seiner Stelle längst Millionär oder wie Puschkins German 1 verrückt geworden ob dieser mystischen Laune der Fortuna. Fandorin aber hatte es sich zur Regel gemacht, auf Wunder zu vertrauen und nicht zu versuchen, sie in die Zwinge menschlicher Logik zu pressen. Wenn ein Wunder geschah – danke dir, Herr. Einem geschenkten Gaul ins Maul zu sehen zeugte von schlechten Manieren.
    Fandorin schaute nur flüchtig auf den Tisch, als die Würfel zum zweitenmal geworfen wurden. Wieder war der blaue langsamer als der rote.
    Die Zuschauer gaben ihre Zurückhaltung auf, Ausrufe wurden laut.
    »Sie sagen: ›Der blaue Würfel liebt den Gaijin!‹« rief der errötete Shirota dem Vizekonsul ins Ohr und scharrte den Haufen weißer und gelber Münzen zusammen.
    »Mademoiselle, hier ist das Geld Ihres Vaters.« Fandorin schob ihr den Haufen hin, den der Wirt beim erstenmal verloren hatte.
    »Damare!« blaffte der Bucklige die Zuschauer an.
    Er war schrecklich anzusehen. Seine Augen waren blutunterlaufen, sein Kehlkopf bebte, die Höckerbrust hob und senkte sich schwer.
    Die Dienerin schleifte einen klirrenden Sack über den Boden. Mit zitternden Händen band der Wirt ihn auf und packte hastig Münzstapel zu je zehn Stück auf den Tisch.
    Er will Revanche, begriff Fandorin und unterdrückte ein Gähnen.
    Einer der Gorillas an der Tür hielt es nicht mehr aus – er trat an den Tisch, der nun fast vollgestellt war mit mattglänzenden Silberstapeln.
    Diesmal schüttelte der Bucklige den Becher mindestens eine Minutelang. Alle starrten wie gebannt auf seine Hände, nur Fandorin, sich seines Spielerglücks sicher, ließ den Blick durch den Raum schweifen.
    Deshalb sah er, wie der rundgesichtige Japaner sich zum Ausgang schlich. Warum gebärdete er sich so heimlich? Hatte er seine Rechnung nicht bezahlt? Oder etwas gestohlen?
    Die Würfel prallten auf Holz, alle beugten sich über den Tisch, stießen mit den Schultern aneinander, Fandorin aber beobachtete neugierig den kleinen Japaner.
    Der tat etwas vollkommen Überraschendes. Als er den Türhüter erreicht hatte, der nun allein am Eingang stand, ebenfalls ganz auf das Spiel konzentriert, versetzte er ihm mit einer knappen, unglaublich schnellen Bewegung einen Schlag gegen den Hals. Der Bullige sank ohne einen Ton zu Boden, und der Dieb (wenn er ein Dieb war) machte sich auf und davon – er schob lautlos den Riegel auf und schlüpfte hinaus.
    Fandorin, beeindruckt von einer derartigen Geschicklichkeit, schüttelte den Kopf und drehte sich zum Tisch um. Worauf hatte er gesetzt? Ach ja, auf gerade.
    Der rote Würfel zeigte eine Zwei, der blaue rollte noch. Im nächsten Augenblick ertönte ein Geheul aus einem Dutzend Kehlen – so ohrenbeträubend, daß Fandorin nichts mehr hörte.
    Shirota klopfte seinem Chef auf den Rücken und rief etwas Unverständliches. Mademoiselle Blagolepowa sah Fandorin glückstrahlend an.
    Der blaue Würfel zeigte sechs fette schwarze Punkte.
     
    Warum nur liebt er
    Den, dem er gleichgültig ist,
    Der Glücksspielwürfel?

Die Flagge der Großmacht
    Shirota schob die anderen beiseite und schaufelte die Silbermünzen in den Sack. Ein melancholisches Klingen erfüllte den Raum, doch diese Musik dauerte nicht lange.
    Ein gellender Schrei aus mehreren Kehlen ertönte, und eine ganze Meute Einheimischer von höchst furchteinflößendem Aussehen stürmte den Saal.
    Als erster kam ein höckernasiger Schnauzbart mit wild gefletschten Zähnen und einem langen Bambusstock in der Hand hereingerannt. Ihm folgten zwei weitere Männer, die in der Tür mit den Schultern zusammenstießen – einer ließ eine Eisenkette durch die Luft sausen, der andere hielt eine eigenartige Konstruktion in der Hand: einen Holzstab, der durch eine Schnur mit einem ebensolchen Holzstab verbunden war. Nach ihnen kam ein gewaltiger Hüne von

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