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Diamantenschmaus

Diamantenschmaus

Titel: Diamantenschmaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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an. »Was
immer Sie zu tun beabsichtigen, wird bis nach dem Ende dieser Veranstaltung
warten müssen.«
    »Ich fürchte, das stimmt nicht ganz«, widersprach
Heidenreich, obwohl er gar nicht so sicher war, ob er mit seinem forschen
Auftreten nicht wirklich etwas über das Ziel hinaus schoss. Zweifel zeigen oder
gar ein Fehlverhalten zugeben, nein, das kam für ihn nicht infrage. Daher
lautete sein Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.
    »Hier geht es um Mord und konkret ist Gefahr in Verzug«,
bellte der Inspektor vor laufender Kamera los. »Wenn Sie mir nicht aus dem Weg
gehen, machen Sie sich der Behinderung einer Amtshandlung schuldig.«
    Diese Kartoffel wurde Helge Buchreiter schließlich etwas zu
heiß, sodass er sich entschied, vorsorglich den Schwanz einzuziehen. Natürlich
nur im übertragenen Sinn des Wortes.
    »Ich weiche der Gewalt«, meinte er darum theatralisch und
machte einen Schritt zur Seite. Das alles wurde wohl dokumentiert von dem über
die Entwicklung der Sendung ganz begeisterten Kamerateam. Endlich gab es einmal
Television verité zu sehen und nicht diesen ewigen Alltags-Einheitsscheiß.
    Da sich außer der für den Ermordeten eingesprungenen
Journalistin nur noch eine weitere Frau auf dem Podium befand und der Inspektor
wusste, dass Helene Brandl 56 Jahre alt war, war es nicht schwer für ihn,
das Objekt der Amtshandlung korrekt auszumachen. Er stellte sich vor der wie zu
einer Salzsäure erstarrten Frau auf und sagte mit fester Stimme: »Frau Helene
Brandl, ich muss Sie wegen des Verdachtes, etwas mit der Ermordung des Karl
Lesonic zu tun zu haben, vorläufig festnehmen. Bitte folgen Sie mir ohne
weiteres Aufsehen, so ersparen wir uns die Handschellen.«
    »D… das ist doch Wahnsinn«, brach es aus der total verstörten
Frau heraus. »Ich habe nichts damit zu tun. Ich habe zwar ständig mit
diesem … Menschen gestritten, aber ich habe ihn doch nicht ermordet.«
    Sie brach in Tränen aus und legte die Hände vor ihre Augen.
Nach einigen Sekunden tupfte sie sich mit einem Taschentuch die Augenwinkel,
danach stand sie auf und folgte dem Beamten.
    Während der Amtshandlung war es in dem Teil des Saales, in
dem die Nichtraucherlobby ihre Plätze hatte, unruhig geworden. Einzelne für die
Polizei bestimmte Schmährufe waren nicht mehr zu überhören und steigerten sich
schließlich zu einem ausgewachsenen Proteststurm, dem sich außerdem immer mehr
Zuhörer aus dem Rauchereck anschlossen.
    Helge Buchreiter hatte das dringende Verlangen, die
Gelegenheit zu nutzen und sich erneut heldenhaft in Szene zu setzen.
    »Das ist ein Anschlag gegen die Pressefreiheit,
Hausfriedensbruch und noch einiges mehr«, brüllte er dem abgehenden Heidenreich
nach, »das wird sich der Sender nicht ohne Weiteres gefallen lassen.«
    Der Inspektor drehte sich nochmals um, streckte seinen
rechten Arm aus, deutete damit auf den Moderator und sagte mit eiskalter
Stimme: »Und Sie sind sofort ruhig, sonst …« Instinktiv nahm sich der
Moderator zurück, was Heidenreich recht war, weil er nicht genau wusste, was er
dem Fernsehmenschen eigentlich einigermaßen glaubhaft hätte androhen können.
    Buchreiter wartete vorsichtshalber, bis die Polizei aus dem
Studio war, dann wandte er sich wieder seinem Publikum zu und begann
loszulegen. Er versuchte, das Beste aus der Situation zu machen.
    »Ja, sehen Sie, meine Damen und Herren, so ist das bei einer
Livesendung. Da kann man nichts dazu- und auch nichts wegschwindeln. Das sind
einzigartige Geschichten, die das Leben selbst schreibt. Sie alle waren Zeugen,
wie heute bei uns Fernsehgeschichte geschrieben wurde. Bei der Verhaftung einer
Mörderin im Studio.«
    Tosender Applaus belohnte nun auf einmal diese kühne, zu
Herzen gehende Analyse. Vor seinem Fernseher wischte sich Palinski allerdings
den Schweiß von der Stirn. Da war zunächst diese klassische Vorverurteilung
einer Person, für die selbstverständlich die Unschuldsvermutung galt. Bis zu
einer rechtskräftigen Verurteilung, aber das war das Problem des Senders. Was
den Krimiliteranalogen mehr bekümmerte, war die etwas forsche Art des
Inspektors, solche Probleme anzugehen.
    Er fand Heidenreich dennoch sehr kompetent, tüchtig und
effektiv. Und er war auch durchaus ein sympathischer Zeitgenosse. Bloß, der
junge Kollege hatte gelegentlich etwas von einem Elefanten an sich. Ja, genau,
an den in dem besonderen Laden dachte Palinski.
    Er nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit mit
Franka Wallner darüber zu sprechen.

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