Diamantenschmaus
eine Strafverfügung der Wiener
Polizei wegen ›Ungebührlicher nächtlicher Lärmerregung und Verschmutzung des
Gehsteiges‹. Angeblich sollte er in der Nacht vom 6. auf den 7. Februar
zwischen 2.33 und 2.46 Uhr vor dem Wohnhaus in Wien 3, Weyrgasse 32, mindestens
eine Viertelstunde lautstark ›I like to be in America‹, ›Coconut women‹ und
›Aquarius‹ gesungen und danach vor den Augen einiger aus dem Schlaf gerissener
Hausbewohner gegen die aus schwerem Holz bestehende Eingangstüre uriniert
haben.
Nun sollte er entweder innerhalb einer Frist von
14 Tagen eine Verwaltungsgebühr von 280 Euro bezahlen oder eine
entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe antreten.
Palinski, der keine Ahnung hatte, wo diese Weyrgasse
überhaupt sein sollte und vor allem zu dem besagten Zeitpunkt mit der Familie
in Ottenschlag [11] gewesen war, und zwar das gesamte Wochenende über, ging dieses permanente
Fehlverhalten seines Doppelgängers inzwischen ganz schön auf den Wecker.
Begonnen hatte das Ganze irgendwann Mitte September letzten
Jahres, als Palinski spät in der Nacht von einem Taxi nach Hause gebracht
worden war. Wie sich bei Bekanntgabe des Fuhrlohns herausstellte, musste Mario
seine Geldbörse in dem Restaurant liegen gelassen haben, in dem er mit einem
Journalisten zu Abend gegessen hatte.
Um den um sein Geld besorgten Taxler nicht weiter
zu beunruhigen, hatte Palinski ihm seinen nach einer Auslandsreise zufällig
noch immer in der Jackentasche steckenden Reisepass übergeben, quasi als Pfand
dafür, dass er wirklich zurückkam. Das Geld aus dem Büro oder gegebenenfalls
aus der Wohnung zu besorgen, konnte immerhin bis zu einer Viertelstunde in
Anspruch nehmen. Vielleicht auch länger.
Da sich aber genügend Münzen in der Portokasse
des Instituts für Krimiliteranalogie befunden hatten und der Fahrer nichts
gegen den fast ein Viertelkilogramm schweren Fuhrlohn hatte, war die
Angelegenheit rasch erledigt gewesen und man hatte sich in aller Freundschaft
getrennt.
Bei der Freude und Erleichterung, das Geld bekommen zu haben
bzw. deswegen nicht extra in den dritten Stock klettern und wieder hinunter
gemusst zu haben, hatten beide Seiten allerdings völlig die Rückgabe des
Reisepasses vergessen.
Das hatte Palinski eine ganze Weile lang gar nicht bemerkt,
obwohl ihm die beiden Anrufe etwa eine Woche danach etwas seltsam vorgekommen
sind. Da war einmal eine Lily gewesen, die von der letzten Nacht und
irgendeinem unvergesslichen Ritt schwärmte.
Zwei Tage später hatte sich eine Dixie gemeldet (»ich bin die
mit den Monstertitten«), sich für die Spompanadeln [12] ihrer Freundin Mary entschuldigt und bei dieser Gelegenheit angeregt, es doch
bei Gelegenheit mit ihr allein zu treiben.
»Du wirst es nicht bereuen, Tiger«, hatte sie geschnurrt,
denn sie würde nicht so viele Zicken machen. Versprochen.
Waren diese offensichtlichen Verwechslungen noch auf
irgendeine verquere Machoart durchaus schmeichelhaft und wurden vom echten
Palinski milde belächelt, so war ihm der Ernst der Lage und der Grund dafür mit
dem Schreiben eines Wiener Rechtsanwaltes endlich klar geworden.
Der Anwalt forderte Herrn Mario Palinski im Auftrag einer
namhaften Leihwagengesellschaft auf, innerhalb einer Frist von drei Tagen für
die Rückgabe des für seine Nichte Brigitte N. am 24. Jänner für zwei Tage
gemieteten Jaguar 420S Sorge zu tragen. Andernfalls …
Zu diesem Zeitpunkt war auch bei dem in diesem Fall bisher
offenbar an hartnäckiger Gehirnverstopfung leidenden Palinski der Groschen
gefallen. Wo war eigentlich sein Reisepass und was hatte das Mistviech von
Taxler damit angestellt?
Er hatte sich damals nicht einmal eine Quittung geben lassen,
mit der man die Taxigesellschaft und den Lenker hätte feststellen können.
Ein Glück, dass der Mann, der sich zum Zweck des Nachweises
so schamlos Palinskis Namen und seines Reisepasses bediente, ihm rein äußerlich
nicht ähnlich sah. So gestaltete es sich recht einfach, der Leihwagenfirma
klarzumachen, dass sie einem Betrüger aufgesessen war. Allerdings einem mit
seinem, nämlich Palinskis, Ausweisdokument.
Die Angelegenheit gestaltete sich zunehmend zeitintensiv,
weil er sich immer höchstpersönlich zeigen hatte müssen, um jeglichen Verdacht
zu beseitigen.
Darüber hinaus war das alles natürlich sehr peinlich. Allein
die Gesichter der Mitarbeiter am Kommissariat, als er den Vorfall angezeigt und
einen neuen Pass beantragt hatte. Selbst sein Freund Helmut Wallner konnte
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