Diamantenschmaus
posthumer
Fernsehpräsenz des Kammersängers und der trotz des inzwischen eingetretenen Gewöhnungseffektes
unverzichtbaren Berichterstattung über die täglichen Querelen bei den
Koalitionsverhandlungen fand auch der Mord an Karl Lesonic seine Erwähnung.
Dieser Beitrag dauerte exakt zwölf Sekunden und war ein hervorragendes Beispiel
für eine knappe und dennoch bemerkenswert unpräzise Meldung.
Etwas Neues erfuhr Palinski allerdings, dass nämlich das
Wiener Original Lesonic, das schon seit Jahren den ›hässlichen Raucher‹ in den
Medien repräsentierte, auf Grund seines Ablebens an der heutigen Diskussion um
das Rauchverbot in der Gastronomie nicht mehr teilnehmen konnte. Na nett, was
für eine Neuigkeit. Wer nun stattdessen diese Position im Rahmen der beliebten
Sendung ›Mit scharfer Zunge‹ um 22.30 Uhr vertreten würde, war derzeit noch
nicht bekannt. Der Sender war auf jeden Fall um vollwertigen Ersatz bemüht.
Dann wurde rasch der Programmhinweis wiederholt, ehe man zum
Sport schaltete, wo die österreichischen Skifahrer beim Weltcupfinale in
Sotschi auf den steilen Hängen des Kaukasus nach wie vor um den ersten
Stockerlplatz der Saison zitterten.
Na ja, es war immer die Hoffnung, die als Letztes starb.
*
Wilma betrat das Mamma Maria und sah, wie
Inspektor Markus Heidenreich gerade an dem Tisch Platz nahm, an dem ihr Mario
bereits saß. Als sie herangekommen war, standen die beiden wieder auf, um sie
zu begrüßen. Heidenreich, indem er ihr die Hand schüttelte, und der Ihrige mit
einem Busserl auf die Stirn.
Giorgio, Mamma Marias ältester Sohn, nahm ihr galant den
Mantel ab und erkundigte sich nach dem Aperitifwunsch mit einem vertraulichen
»Wie immer?«
Wilma nickte nur und damit war alles klar. Zumindest für den
Ober. Keine zwei Minuten später war er wieder zurück und stellte ein Glas, das
mit einer roten Flüssigkeit auf Eis gefüllt war, vor sie hin.
»Erlauben Sie mir die Frage, liebe Frau Bachler«, warf
Heidenreich ein, »was für ein Getränk ist das eigentlich, das man Ihnen eben
serviert hat?«
»Fragen Sie doch bitte Mario«, entgegnete Wilma und lachte
verschmitzt. Wohl wissend, was gleich kommen würde.
»Ich weiß, es wird für den Moment ein wenig dumm klingen«,
räumte Palinski nach ein paar peinlichen Sekunden des Schweigens ein, »und es
ist absolut unentschuldbar. Aber ich habe trotz gemeinsamer 28 Jahre keine
Ahnung, was meine … Wilma ›wie immer‹ in so einer Situation zu sich
nimmt.« Er lachte verlegen. »Rein optisch würde ich auf eine Art Campari mit
Soda tippen. Wäre da nicht diese Orangenscheibe als Dekoration.«
»Die Schlussfolgerung ist gar nicht übel«, anerkannte Wilma.
»Der Drink ist früher sogar unter der Bezeichnung Camparinete angeboten worden.
Heute wird er Negroni genannt und besteht aus Gin, Campari und Martini Rosso.
Und«, damit richtete sie sich direkt an Mario, »es ist eigentlich traurig, dass
du das nach so langer Zeit noch immer nicht weißt.«
Ihr Lächeln verriet Palinski, dass der Vorwurf zwar
berechtigt, jedoch nicht ganz so böse gemeint war.
»Na ja«, fügte er dem selbstkritisch-ironisch hinzu, »wie du
gesagt hast, ›wie immer‹ halt. Und was hat sich am Friedhof abgespielt?« Rasch
hatte sich Palinski an den Inspektor gewandt, wohl um sein peinliches Unwissen
zu überspielen.
»Um es auf den Punkt zu bringen: Die Leiche scheint
tatsächlich gezielt und äußerst professionell knapp zwei Stunden vor der
Trauerfeier entführt worden zu sein.« Heidenreich kratzte sich am linken Ohr.
»Völlig im Dunkeln tappen wir noch hinsichtlich des Motivs. Was macht man mit
einer prominenten Leiche? Man kann sie doch kaum verkaufen. Oder gibt es einen
Markt dafür? Dazu diese spektakuläre Inszenierung, wie in einer rabenschwarzen
Komödie. Nicht zuletzt haben die Täter eine Visitkarte hinterlassen, glaube ich
zumindest.«
Er holte ein Sofortbild heraus und hielt es Palinski hin. Auf
dem Foto war eine Art Geschäftskarte mit der Aufschrift ›Diamonds4eva‹. Der
Kriminaliteranologe ließ nur »aha« und »seltsam« verlauten und konnte sich auch
keinen Reim darauf machen.
Im Anschluss kam Inspektor Heidenreich auf den Fall
Lesonic zu sprechen. »Nach einem ersten Bericht der Spurensicherung haben wir
es hier mit einem ganz außergewöhnlichen Fall zu tun. Erstens war das Opfer
bereits tot, als es in diese Waschküche gebracht worden ist. Die Verletzung am
Kopf hat fast nicht geblutet und ist dem Mann mit Sicherheit
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