Diamantenschmaus
jungen Mann bereits wieder besser. »Alles klar«,
bestätigte er optimistisch und setzte sich an seinen Computer. Konzentriert und
dynamisch wie eh und je. Das war ein gutes Zeichen.
*
Nach mehr als
zwei Wochen hatten sich die Entführer Jean Claude Martinovs endlich wieder
gemeldet. Oder besser, ein weiteres Lebenszeichen von sich gegeben. Wenngleich
nur in Form eines Videobandes, das der Redaktion eines bekannten Wochenmagazins
an diesem Morgen zugegangen war.
Kaum hatte Udo Walter, der Chef vom Dienst, mit dem
Abspielen des Bilddokumentes begonnen, da erkannte er die Brisanz der
Aufzeichnung und informierte unverzüglich die Polizei.
Der berühmte belgische Entertainer, Schauspieler und Sänger
war nach der Aufzeichnung der großen Charity-Show in der Wiener Hofburg, auf
der er mit der griechischen Operndiva Adriana Georgides und anderen
internationalen Stars für die Internationale Kinderhilfe aufgetreten war,
plötzlich verschwunden. Der als Eigenbrötler bekannte Künstler hatte die
Hofburg nach seinem Auftritt verlassen, um kurz etwas frische Luft zu schnappen
und eine Runde um den Heldenplatz zu drehen. Zum großen Finale mit allen Stars,
bei dem seine Anwesenheit unbedingt erforderlich gewesen wäre, war der Sänger
nicht mehr erschienen. Nachdem Jean Claude bis zum nächsten Morgen nicht in
seinem Hotel eingetroffen war, hatte sein Manager die Polizei eingeschaltet.
Trotz intensivster Suche fehlte von dem belgischen
Star nach wie vor jede Spur. Im Gegensatz zu üblichen Verbrechen unter diesen
Vorzeichen meldete sich jedoch niemand und erhob Forderungen, welcher Art diese
auch immer sein mochten. Die Polizei war schließlich fast schon geneigt, die
zunächst vermutete Entführungstheorie zum Zweck der Gelderpressung zu
verwerfen. Ja, einige Beobachter gingen sogar so weit anzudenken, dass Martinov
sein bisheriges Leben ganz einfach satthaben könnte und daher ausgestiegen war.
Nach mehr als einer Woche war die Polizei endlich
auf eine erste Spur gestoßen. Durch ein anonymes Schreiben war die
Aufmerksamkeit auf eine Badehütte in Kritzendorf [10] gelenkt worden, in der nacheinander einige Kleidungsstücke des Verschollenen
gefunden worden waren. Sorgfältig zusammengelegt und ohne Blutflecken oder
sonstige Verschmutzungen hatten sie der Kriminalpolizei allerdings so gut wie
keine Aufschlüsse ermöglicht. Für die Medien war das Auftauchen der Kleider
hingegen ein gefundenes Fressen gewesen. Die bereits äußerst pessimistische
Stimmung war umgeschlagen und hatte einen gedämpften Optimismus erreicht.
Und jetzt das. Hauptmann Bachmayer atmete tief
durch, als er den Startknopf des Abspielgerätes drückte. Auf dem Band war der
wie aufgebahrt wirkende Körper des Entführten zu sehen, der mit weit
aufgerissenen Augen völlig verängstigt in die Kamera blickte. Untermalt war das
Ganze vom Trauermarsch, also dem Marche funèbre, dem 3. Satz aus der
Klaviersonate Nr. 2 b-Moll op. 35 von Frédéric Chopin. Es folgte ein
scharfer Schnitt. In der nächsten Einstellung war zu sehen, wie die Brust des
Entertainers förmlich in Blut schwamm und seine Augen nur mehr leer vor sich
hin starrten. Es sah ganz so aus, als ob der Belgier zwischen den beiden
Aufnahmen ermordet worden wäre. Dazu verkündete eine verfremdete Stimme in
getragenem Ton, dass »Jean Claude Martinov tot ist, für seine größten Fans aber
immer leben wird.« Und die wüssten schon, wie. Der Hinweis, dass das Video auf
YouTube ins Netz gestellt worden war, beendete die Botschaft.
Selbst Hauptmann Bachmayer, der bisher einiges erlebt hatte,
stand angesichts dieser Bilder leicht unter Schock. Dennoch reagierte er sofort
höchst professionell, beschlagnahmte das Band und ließ es zwecks Überprüfung
seiner Echtheit sowie für alle weiteren Untersuchungen umgehend ins Labor
bringen.
Udo Walter wiederum, der Redaktionschef, jubelte innerlich,
hatte er doch rechtzeitig vorher eine Kopie des Bandes anfertigen lassen. Er
sah bereits die nächsten Schlagzeilen vor sich. Zuerst das Titelbild, brrr,
schrecklich schön und für eine mindestens 30.000 Exemplare größere Auflage gut.
Das war das Wunderbare, ja Tröstliche des Lebens. Es gab kaum
eine Grauslichkeit, über die nicht irgendjemand gleichzeitig auch erfreut
gewesen wäre und einen Vorteil gezogen hätte.
*
Auch Palinski hatte heute Post der besonderen
Art erhalten. Schon wieder, insgesamt bereits zum neunten Mal innerhalb der
vergangenen sieben Wochen. Diesmal war es
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