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Diamantenschmaus

Diamantenschmaus

Titel: Diamantenschmaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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noch
rechtzeitig wieder davon Abstand. »Möglich wäre auch, dass sie am nächsten
Wochenende strahlend bei diesem Grand Prix im Sauerland auftaucht. Einfach so aus
dem Nichts. Wenn niemand mehr mit ihr rechnet. Stell dir dieses Medienecho
vor.«
    »Natürlich besteht ferner die Möglichkeit, dass es
durchaus im Interesse irgendwelcher Leute liegt, wenn die junge Dame an dieser
Veranstaltung nicht teilnimmt«, gab Malatschew zu bedenken und hatte nicht
unrecht damit.
    »Also was denkst du darüber, du altes russisches
Schlitzohr?«, meinte Palinski und der Angesprochene wusste, dass diese
Charakterisierung durchaus als Kompliment gedacht war. Malatschew wiegte
nachdenklich sein graues Haupt, erinnerte sich, dass heute sein Gegenüber für
die Rechnung zuständig war, und bestellte sich die zweite Topfenschnitte.
    »Eine Entführung, um Geld zu erpressen, würde ich als
Chypothese vorerst vernachlässigen. Da wäre inzwischen sicher eine Forderung
bei der Familie oder beim Management der jungen Frau eingetroffen.« Er
schüttelte den Kopf. »Nein, kein Kidnapping.«
    »Nach Angaben ihres Managers hat Hildi nach dem Grand Prix im
Sauerland zehn Tage Pause bis zu ihrem nächsten Auftritt«, wusste Palinski.
»Vielleicht legt sie ein paar Urlaubstage ein. Also eine Auszeit wegen
Überarbeitung oder gar eine Sinnkrise sehe ich auch nicht.«
    »Im Gegenteil«, bekräftigte Malatschew, der die
Topfenschnitte inzwischen bis auf ein paar Krümel am Teller ihrer Bestimmung
zugeführt hatte. Sein trauriger Blick ließ Palinski allerdings befürchten, dass
auch bei seinem russischen Freund aller guten Dinge drei waren. Mindestens.
    Na, wenigstens war die Mehlspeise billiger als die Unmengen
kanadischen Lachses, die das Kasaner Fressmonster erst unlängst vertilgt hatte.
Auf Rechnung von … erraten.
    »Im Gegenteil«, begann der Russe den Satz nochmals, »diese
Childe steht erst am Anfang ihrer Karriere, die ist noch weit davon entfernt,
ausgebrannt zu sein. In dem Alter ist man noch scharf auf jeden Auftritt, auf
den Beifall und die Anerkennung des Publikums. Nein, nein, ich befürchte, wir
müssen uns von den konventionellen Erklärungsversuchen verabschieden und das
Geschehen in einem größeren Zusammenchang sehen.«
    »Wie meinst du das?« Palinski hatte keine Ahnung, was sein
alter Freund konkret damit andeuten wollte.
    »Na, dann lass uns einmal rekapitulieren, was sich
in den letzten Tagen so alles getan chat«, erwiderte Juri Malatschew. »Da war
einmal der Raub einer prominenten Leiche vom Grinzinger Friedchof.«
    Je länger der alte Russe sprach und seine Vorstellung vom
größeren Zusammenhang entwickelte, desto schwerer fiel es Palinski, das
aufsteigende Entsetzen zu unterdrücken. Entweder über Juris grauenvolle
Fantasie oder das Menetekel, das er an die Wand malte. Möglicherweise über
beides.

     
    *

     
    Wie die Polizei später akribisch feststellen
sollte, hatte der ungefähr 40 Jahre alte Mann das Finanzamt in der
Nußdorferstraße exakt um 10.29 Uhr betreten und sich an der Information im
Eingangsbereich nach einem Oberamtsrat Federbeis erkundigt, ehe er mit dem Lift
in den dritten Stock gefahren war.
    Dort hatte er geduldig Platz genommen und 14 Minuten
gewartet, bis er um 10.44 Uhr endlich auf dem Besuchersessel am Schreibtisch
des Leiters dieser Abteilung Platz nahm.
    Oberamtsrat Federbeis war ein grundsätzlich freundlicher
Beamter, dem sein spezieller Aufgabenbereich mitunter zu schaffen machte. War
er doch Chef der aus rund 15 Damen und vor allem Herren bestehenden
Truppe, die im 9., 18. und 19. Bezirk dafür zuständig waren, den
berechtigten Forderungen Vater Staates an seine geliebten Steuerzahler den
ultimativen Nachdruck zu verleihen.
    Dies taten sie früher, indem sie auf all jene
Gegenstände, deren Verkauf oder Versteigerung einen höheren Erlös erwarten
ließen als die dadurch bedingten Kosten, eine kleine Marke mit dem Bundesadler
darauf klebten. Im Volksmund war dieser Kleber als Kuckuck bekannt und
besonders gerne auf neuen Fernsehgeräten zu finden.
    Dann trugen sie das mit dem Kuckuck bepflasterte Kastl in
eine Liste ein, die sie ›Pfändungsprotokoll‹ nannten. Damit war es auch bereits
der weiteren rechtlichen Verfügung des Eigentümers entzogen. Gucken durfte man
noch bis zur Versteigerung oder Bezahlung des Steuerrückstandes, verkaufen oder
im Pfandl versetzen nicht mehr.
    Ein zweifellos wertvoller Dienst an Staat und Gesellschaft,
der heutzutage etwas schneller und ohne

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