Diamantenschmaus
Kuckuck abläuft. Dennoch hielt sich die
Beliebtheit dieser Truppe in der Öffentlichkeit in Grenzen, nach wie vor.
Sebastian Noselli, so hieß der Besucher von OAR Federbeis,
besaß ein kleines Antiquitätengeschäft auf der Döblinger Hauptstraße,
eigentlich war es eher ein Trödelladen. Er kaufte Erbschaften auf und war bei
jedem Flohmarkt auf der Suche nach wertvollen oder zumindest kuriosen Stücken
dabei.
Im Gegensatz zu seinem Vater, der den kleinen Laden gegründet
und damit einen bescheidenen Wohlstand für seine Familie erwirtschaftet hatte,
fehlte Sohn Sebastian jegliches kaufmännische Geschick. Er kaufte zu teuer ein
und verkaufte zu billig und hoffte dennoch, von der Differenz leben zu können.
Nach einigen Jahren vordergründig erfolgreichen
›Löcherstopfens‹ war es schlussendlich so weit gewesen: Er hatte sich total
verschuldet, verfügte über keinerlei Kredit mehr, weder bei der Bank noch bei
den Lieferanten, und die Exekutoren von Finanz- und Bezirksgericht gingen bei
ihm ein und aus.
Seine Frau Milena hatte den steigenden Druck nicht
ausgehalten und hatte vor Wochen mit den Kindern die gemeinsame, nach einer
ersten Exekutionswelle nahezu leer geräumte Wohnung verlassen.
Klar, dass ebenso sämtliche einigermaßen wertvollen
Stücke aus dem Antiquitätengeschäft inzwischen gepfändet worden waren. Das
bedeutete, dass Noselli diese verkaufen durfte, den dafür erzielten Erlös aber
beim Finanzamt abliefern musste. Oder beim Bezirksgericht, je nachdem, wer
seinerzeit schneller mit dem Kuckuck zur Stelle gewesen war.
Ein Kunde hatte ihm bereits früher den Rat
gegeben, ein paar der besonders wertvollen Stücke so zu verstecken, dass sie
den Häschern des Staates verborgen blieben.
»Man muss sich schließlich eine kleine Reserve schaffen für
die Zeit danach«, hatte er gemeint, »irgendwie muss das Leben auch nach einem
Konkurs weitergehen.«
Das hatte Sebastian eingeleuchtet und er hatte zwei Bilder,
vier Plastiken und einige alte Bücher, Dinge im Gesamtwert von vielleicht
25.000 Euro, in der Wohnung einer alten Tante versteckt.
Dumm war nur, dass eine Bekannte der Tante … und
irgendwie gelangte die Botschaft bis zum Finanzamt, das prompt bei der alten
Dame antrat und zu ihrem hellen Entsetzen nicht nur die ›Leihgaben‹ des Neffen
abholte, sondern gleich auch ihre Wohnung ausräumte.
Ein Nervenzusammenbruch der Tante, mehr als drei Monate
Aufenthalt in einem Sanatorium sowie die Ächtung durch den Rest der Familie
waren die Folge dieser Panne.
Zu allem Überfluss drohte ihm jetzt ein Finanzstrafverfahren
wegen … doch das hatte Sebastian sich nicht gemerkt.
Da hatte ihm ein anderer Kunde aus besseren Tagen, ein Mann,
der selbst einmal Probleme mit der Finanz gehabt hatte, den Rat gegeben, bei
Gelegenheit mit OAR Federbeis zu sprechen. »Das ist ein grundvernünftiger Mann,
der trotz allem Mensch geblieben ist«, hatte ihm der Bekannte versichert. »Wenn
er eine Chance sieht, Ihnen im Rahmen seiner Möglichkeiten zu helfen, so wird
er das tun.«
Reinhard Federbeis, dessen Charakterisierung durchaus
zutreffend war, fand den überaus nervösen, vor ihm sitzenden Herrn Noselli zwar
durchaus sympathisch. Allerdings waren hinsichtlich des möglichen
Strafverfahrens dem Oberamtsrat mangels Zuständigkeit völlig die Hände
gebunden. Das Einzige, was er dem armen Teufel anbieten konnte, quasi als
Zeichen des guten Willens, war eine Woche Zeit. Möglich, dass an den etwas wirr
klingenden Plänen des Verpflichteten, aus eigener Kraft wieder aus der
Bredouille kommen zu wollen, ja wirklich etwas dran war.
Kurz und gut, nachdem Federbeis Noselli
freundlich, aber bestimmt klargemacht hatte, dass er die Macht der
Finanzbehörden bestenfalls eine Woche aufhalten konnte, brannte bei dem Steuersünder
nicht nur eine Sicherung durch. Nein, der starke Raucher hatte keine Zigaretten
mehr und begann langsam, unter dem Entzug zu leiden.
Aus diesem Grund fing er zu brüllen an, bezeichnete die
Finanzbehörde als Mafia und den Oberamtsrat als einen miesen Paten. Danach
holte er aus seinem Aktenkoffer eine Pistole hervor, richtete sie gegen den
erschrockenen Federbeis und teilte ihm mit, dass er ihn eben als Geisel
genommen hatte.
*
Baborek war erst 20 Minuten nach dem
angekündigten Termin erschienen. Das war immer noch früh genug für die riesige
Überraschung, die ihn erwartete und der eine herbe Enttäuschung folgte. Bei
diesem Palinski gab es für ihn kein Geld zu holen.
Im
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