Diamantenschmaus
sprechen.
»Aber so schlimm ist es …«, wollte die Geisel
richtigstellen, doch Dollinger fiel ihm mit der Bemerkung »Aha,
Stockholm-Syndrom, das ist ja schnell gegangen« brutal ins Wort. »Geben Sie mir
jetzt den Geiselnehmer. Bittteeee«, meinte der Major mit größtem Nachdruck. Und
er fügte beruhigend hinzu: »Nur keine Angst, wir holen Sie da heraus.«
Federbeis zuckte nur verständnislos mit den Achseln und
reichte Noselli den Hörer. »Für Sie, die Polizei.«
Dollinger hatte den Hörer inzwischen gleichfalls
weitergegeben, denn es meldete sich jemand anderer.
»Hier Magister Hollunder«, antwortete die Stimme auf Nosellis
Frage, wer am Apparat wäre. »Ich bin Ihr heutiger Gesprächspartner. Na, wie
geht es uns?«
»Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, mir geht es nicht sehr
gut«, erwiderte der Steuersünder zornig. »Man will meine Existenz vernichten
und mich vielleicht sogar ins Gefängnis stecken. Wie würde es Ihnen unter
diesen Voraussetzungen gehen?«, schnaubte er in den Hörer. »Haben Sie keine
intelligenteren Fragen?«
Aggressiv, diagnostizierte der in aller Eile herbeigekarrte
Psychologe, der den Auftrag hatte, eine Vertrauensbasis mit dem Verbrecher
aufzubauen.
»Doch, ich habe da ein, zwei Fragen«, er lachte, als ob diese
Tatsache allein enorm lustig war. »Erstens, hassen Sie oder haben Sie Ihren
Vater früher gehasst?« Federbeis, der das Telefon inzwischen auf Lautsprecher
gestellt hatte, schüttelte entgeistert den Kopf. »Und zweitens, wollten Sie je
mit Ihrer Mama schlafen?« Das Lachen des Idioten wurde immer penetranter.
»Sind Sie verrückt geworden?«, brüllte Noselli, »mit Ihnen
spreche ich nicht mehr!«
Mit »Das ist doch …« unterstützte der Oberamtsrat das
Statement seines Peinigers. »Und solche Idioten werden von unseren Steuern
bezahlt.«
»Hahaha«, kam es postwendend von der anderen Seite der
Leitung. »Sie haben das hoffentlich nicht ernst genommen. Mit diesen Fragen
lockere ich anfangs immer das Gesprächsklima ein wenig auf. Gut, was?« Der
Mensch war wirklich unerträglich.
Das fand offenbar auch Major Dollinger, der sich wieder
meldete. »Was ich als Erstes wissen möchte, ist, welche Forderungen stellen Sie
eigentlich?«
Darüber hatte Noselli noch gar nicht nachgedacht. Wie hätte
er das auch sollen, seine Einschätzung der Situation, in der er sich befand,
wich in wesentlichen Punkten diametral von der der Polizei ab. Was hatten die
Bankräuber in dem Krimi letzten Freitag verlangt? Ein Fluchtauto und eine
Million Euro.
Das klang nicht schlecht, aber er wollte eigentlich gar nicht
weg aus Wien. Und seine Schulden zahlen würden sie ihn mit dem erpressten Geld
bestimmt nicht lassen.
Da fiel ihm etwas ein. Eventuell konnte ihm der Herr helfen,
der ihm den Tipp mit dem Oberamtsrat gegeben hatte. Der hatte einen
vertrauenswürdigen Eindruck gemacht und war selbst in so einer Situation
gewesen. Wie hatte er bloß geheißen?
»Ich habe im Moment nur einen Wunsch: Ich möchte, dass Sie
einen Herrn Pasansgy, Paletzky oder so ähnlich herbringen. Mit dem muss ich
sprechen. Sofort!« Die letzten beiden Worte hatte er gebrüllt, wohl um seiner
Forderung den nötigen Nachdruck zu verleihen. »Er wohnt da irgendwo in der Nähe
von dem italienischen Restaurant in der Döblinger Hauptstraße. Und er soll
Zigaretten mitbringen.«
*
Inzwischen waren Palinski und Juri Malatschew
beim Nachtisch angelangt. Der Russe hatte sich für Topfenpalatschinken mit
Vanillesoße entschieden und Mario für einen großen Braunen.
»Also gut«, fasste der Chef des Instituts für
Krimiliteranalogie zusammen. »Die Leiche des Kammersängers wurde zur Seite
geschafft, um aus der Asche einen oder mehrere Diamanten zu pressen und an die
Bestbieter zu verkaufen. Pro Stein werden je nach Stellenwert des Toten bis zu
60.000 Euro bezahlt. Wobei kein Stein unter 15.000 Euro zu haben ist,
weil die Synthetisierung allein zwischen 5.000 und 12.000 Euro kostet.
Trifft das in etwa so zu?«
Juri nickte bedächtig, während er sich die heiße Soße über
die noch appetitlich dampfenden Teigrollen mit der süßen Frischkäsefüllung
goss. »Das stimmt so, im Prinzip zumindest. Aber da die großen Gewinne damit
nicht zu machen sind, chat das organisierte Verbrechen diesen Geschäftszweig
nicht weiter ausgebaut, sondern nur am Rand betrieben. Sozusagen auf bestimmte,
besondere Geschäftsfälle beschränkt.«
»Inzwischen sind einige ganz Schlaue draufgekommen, dass das
Risiko,
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