Diamantenschmaus
Fuhre und stieg aus.
Als sich ihre Straßenbahn einige Minuten später den Weg durch
den gesperrten Bereich vor dem Finanzamt bahnte, fiel der erstaunten
Inspektorin auf, wie ihr und ihres Mannes Helmut guter Freund Mario Palinski,
von einem uniformierten Beamten eskortiert, gerade den von den Mannen der WEGA
zernierten [21] Eingang
des Amtsgebäudes passierte. Selten zuvor hatten sich professionelle und
weibliche Neugier spontan zu einer derart drängenden Allianz gefunden, wie dies
hier und jetzt der Fall war. Ohne nachzudenken, folgte Franka ihrem Impuls, stieg
aus und begab sich sofort zu dem leitenden Beamten im Eingangsbereich. Nachdem
sie sich ausgewiesen hatte, durfte sie ins Gebäude. Die Inspektorin begab sich
stehenden Fußes zur Einsatzleitung.
*
Ehe er mit dem Polizisten das Kaiser verlassen
hatte, hatte Palinski noch Florian angerufen und ihn stante pede ins Kaffeehaus
bestellt.
»Du musst dich unbedingt um Juri kümmern, der alte Russe weiß
noch eine Menge mehr über diesen Diamantbestattungs-Scheiß. Also schau, dass du
es aus ihm herausbekommst. Vor allem, pass auf, dass er mich nicht arm frisst
und säuft, während ich im Finanzamt zu tun habe. Er diniert nämlich auf meine
Kosten, und das tut er erfahrungsgemäß exzessiv. Du bist natürlich ebenfalls
herzlich eingeladen.«
Danach hatte er den ehemaligen KGB-Oberst über die aktuelle
Entwicklung informiert und gebeten, auf ihn zu warten. Mit Florian Nowotny,
seinem Assistenten, der gleich da sein und ihm alle seine Wünsche erfüllen
würde.
Das war nicht ganz risikolos, denn Juri Malatschew hatte es
bisher immer abgelehnt, mit jemand anderem als Palinski über gewisse Dinge zu
sprechen. Aber in dieser Situation? Vielleicht klappte es ja, das wäre für alle
Zukunft recht nützlich.
Deshalb hatte sich Mario für das Prinzip Hoffnung
entschieden, die Reaktion des Russen gar nicht mehr abgewartet und war
gegangen.
Als Florian knapp zehn Minuten später an Juris Tisch trat,
war der gewichtige Mann gerade dabei, eine Riesenportion des von ihm so
geliebten Kastanienreises mit sehr viel Schlagobers zu vertilgen.
Malatschew blickte den jungen Mann interessiert an, knurrte
mit vollem Mund nicht unfreundlich etwas, das wie »Du musst wohl Florian sein«
klang und bedeutete ihm, sich zu setzen.
Nachdem er hinuntergeschluckt hatte, forderte Juri den
Assistenten auf, sich doch ordentlich was zu bestellen, denn »Du bestehst ja
nur aus Chaut und Knochen, Knabe. Keine Angst, Brüderchen Palinski zahlt das
Ganze.« Das fand er auch noch zum Lachen.
Augenblicklich begann der alte Russe mit dem jungen
Polizisten zu plaudern, als ob er ihn seit Jahren kannte.
»Du bist also dieses Wunderkind, das für Palinski die Sachen
übernimmt, für die man Intelligenz benötigt?« Der Russe schien Gefallen an
seinem Scherz zu finden, denn er lachte schon wieder. Er hatte sich nicht lange
mit dem sperrigen Sie aufgehalten und gleich mit dem vertraulichen Du begonnen.
»Nun ja, ganz so darfst du das nicht sehen«, entgegnete der
um mindestens 40 Jahre jüngere Florian frech und bediente sich ungeniert
ebenfalls des unkomplizierten Dus. Damit versetzte er Juri in einiges
Erstaunen, denn als in der Regel Älterer hatte bisher immer er bestimmt, wer
und ab wann man mit ihm das Du tauschen durfte. Florians Frechheit schien ihm
zu gefallen, denn er lachte aufs Neue.
»Von Mario kommt die große Linie. Die gibt er vor«, erläuterte
der junge Mann, »und ich habe ein Talent für die Details. Vor allem für die
ungewöhnlichen«, betonte er. »Doch nun sollten wir an der Stelle das Gespräch
fortsetzen, an der Mario unterbrechen musste.«
»Ich nehme an, das Thema ist dir vertraut«, meinte Juri, »und
du chast eine Meinung dazu.« Der alte Fuchs wollte die Gelegenheit wahrnehmen
und sich ein Bild über die intellektuelle Kapazität seines neuen Freundes
machen. »Dann lass chören. Aber bitte keinen überflüssigen Scheiß.«
Florian schluckte kurz, nickte und begann: »Ich
denke, dass sich diese entführte Frau, Hildi Forderberg, in großer Gefahr
befindet. Und zwar in Lebensgefahr. Es gibt Anzeichen im Internet dafür, dass
mindestens zwei Interessenten für den Kauf eines aus ihrer Asche gepressten Diamanten
existieren. Diese sind auch gewillt, dafür eine Menge Geld auf den Tisch zu
blättern. In dem einen Fall sogar 120.000 Euro, falls ich das codierte Zeugs
richtig gedeutet habe. Der Stein vom Herrn Kammersänger Boreskov dürfte dagegen
für nur 55.000
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