Diamantenschmuggel
ärgern, zerriss ein fürchterlicher Schrei die Stille.
»Da vorn!«, rief Peter und lief los.
»Da unten!«, brüllte Justus und rannte hinter ihm her.
»Meine ich doch!«, gab Peter zurück.
Wieder ertönte ein Schrei, aber diesmal klang er anders. Das musste die Stimme von Mrs Rodriguez sein, fuhr es Justus durch den Kopf. Um ein Haar wäre er auf Peter gestürzt, der für einen winzigen Augenblick zur Salzsäule erstarrt war. Aber dann rannte Peter hastig weiter, auf Mr Rodriguez und die Jenkins zu.
An der einzigen Stelle, wo die altersschwache Treppe für ein kurzes Stück kein Geländer hatte, gut drei Meter über dem Erdboden, strampelte Mr Thomas in der Luft. Seine Hände klammerten sich an zwei Stufen fest. Mit puterrotem Gesicht beugte sich Jenkins über ihn und zerrte hilflos an seinem rechten Arm. Den anderen hatte Rodriguez gepackt. Thomas’ Füße schlugen wild gegen die Windmühle und fanden keinen Halt. Die Knöchel an seinen Händen traten weiß hervor, seine Fliege, die sonst immer so korrekt saß, war jämmerlich verrutscht und ähnelte einem der Windmühlenflügel.
Mrs Jenkins stampfte von einem Bein aufs andere und stieß Hilferufe aus.
»Kommen Sie doch hoch!«, brüllte Jenkins, aber das war leichter gesagt als getan. Mr Thomas schien nicht gerade der Stärkste zu sein. Er schaffte es nicht, sich hinaufzuziehen, und seine beiden Helfer stellten sich zu ungeschickt an.
»Lassen Sie uns das machen!«, rief Peter. »Komm, Just!«
Und schon lag der Erste Detektiv bäuchlings auf der Treppe, schnappte sich zur Sicherung ein Handgelenk von Thomas und brauchte nur noch wenig nachzuhelfen, als Peter ihn mit einem einzigen Ruck hinaufzog.
Mr Thomas, eben noch rot angelaufen von der Anstrengung, wurde blass wie ein Leinentuch. Sein Hinterteil plumpste auf die Treppe, dann verbarg er seinen Kopf in den Händen.
Justus’ Blick fiel auf Thomas’ Brille, die direkt unter ihnen auf dem Erdboden lag. Das eine Glas war zersprungen, das andere glänzte in der milden holländischen Sonne.
»Ja Himmeldonnerwetter, Mann!«, schrie Mr Jenkins und stemmte die Arme in die Hüften. »Wie konnte denn das passieren?«
Unten am Boden tauchten Mario und Anna auf. Im letzten Augenblick wollte Justus sie warnen, aber zu spät. Annas Pfennigabsatz zertrümmerte auch das andere Brillenglas. Erschrocken schrie sie auf. »Ist dir etwas passiert?« Marios Stimme überschlug sich fast.
Für Justus’ Geschmack wurde in den letzten Minuten ein bisschen viel geschrien. »Kommen Sie, Mister«, sagte er zu Mr Thomas, der immer noch stumm vor ihm auf der Treppe hockte, und schob die Arme unter seine Achselhöhlen, »kommen Sie! Ist ja noch mal gut gegangen.«
Der Angesprochene stand langsam auf, schwankte und griff nach der Wand, um Halt zu finden. Er war immer noch sehr blass und atmete heftig.
»Wie ist denn das passiert?«, fragte Peter teilnahmsvoll. »Haben Sie nicht gesehen, dass hier kein Geländer ist?«
Mr Thomas sah ihn ausdruckslos an. »Oh doch«, erwiderte er. »Sehr genau sogar.« Zu einem weiteren Gespräch schien er nicht bereit, denn er drehte sich um und stakste mit steifen Schritten die Treppe hinunter. Mrs Rodriguez stützte ihn. »Sie hätten sich ja den Hals brechen können«, hörten die drei ??? sie sagen, bevor die beiden hinter der Biegung verschwanden.
Justus warf einen Blick nach unten, wo Anna die Trümmer der Brille aufsammelte. »Den Hals brechen?«, brummte er. »Da hätte er viel Pech haben müssen. Aber wer weiß.«
Endstation Europa?
Kurz nach ihrer Rückkehr in die Pension in Rotterdam stürmten Justus und Bob, ohne anzuklopfen, in Peters Zimmer.
»Hey, hey!«, rief Peter. Gähnend stieg er gerade in seinen Schlafanzug. »Wo bleibt denn eure gute Kinderstube?«
Justus, der ein großes Blatt Papier und einen Briefumschlag in der Hand hielt, winkte bloß ab und ließ sich in den nächstbesten Sessel fallen. »Ich bin ein Idiot«, ächzte er.
Peter hob die Augenbrauen. »Ganz wie du meinst«, sagte er grinsend und stieg in sein Bett. »Darf ich fragen, was dich zu dieser Erkenntnis gebracht hat?«, fragte er. »Natürlich bin ich vollkommen anderer Ansicht«, fügte er vorsichtig hinzu.
»Erzähl du’s«, forderte Justus Bob auf. Wieder schüttelte er fassungslos den Kopf und raufte sich die Haare. Peter beobachtete ihn ungläubig. Aber es war offensichtlich, dass der Anführer der drei ???, das Superhirn aus Rocky Beach, in eine schwere persönliche Krise geraten war.
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