Diamantrausch - Hot Ice
sie.
Oh, bitte. Reiß dich zusammen. Nein, das tat er nicht. Es war nur ihre überaktive Vorstellungskraft, die im Augenblick auf Hochtouren arbeitete. Ah. Da war ja der andere Schuh. Sie schlüpfte hinein, lehnte sich dann in ihrem Sessel zurück und schlug die Beine übereinander. Sie bemerkte, dass ein kleiner Muskel in seiner Wange zuckte. »Wir haben diese Unterhaltung doch schon einmal geführt. Erinnern Sie sich nicht mehr daran?«
»Was gibt es in Zürich sonst noch, außer Ihrem Schließfach?« So leicht würde er nicht aufgeben.
So leicht war sie auch nicht zu knacken. Meine Schwester, mein Zuhause, Sicherheit. »Kuckucksuhren? Die Alpen? Käse? Armbanduhren? Unglaublich gute Schokolade? Sie können sich etwas davon aussuchen.«
»Lasche Bankregeln und kein Auslieferungsabkommen.« Dieser leichte britische Akzent gab seinen Worten noch mehr Gewicht.
Taylor rieb sich über die Gänsehaut an ihren Armen und zuckte dann mit den Schultern. »Nun ja, wenn Sie das schon wissen , dann verberge ich das ja wohl kaum vor Ihnen, nicht wahr?«
»Da gibt es noch mehr Dinge, die Sie mir nicht verraten.«
»Nun, um in der Landessprache zu sprechen, duh .« Sie sah sich um. »Wo sind die beiden anderen Handlanger?«
»Die machen ein Schläfchen in der hinteren Kabine.«
Taylor riss die Augen weit auf. »Himmel, ich hoffe, das ist nicht so schlimm, wie es klingt.«
»Sie schlafen.« Das Grau seiner Augen schien sich zu verändern, während er sie betrachtete. »Was hat Sie dazu gebracht, eine Diebin zu werden?«, fragte er geradeheraus.
Daniels Onkel Ralph hatte sie angeheuert, um in seiner Züricher Firma, Consolidated Unterwriters, zu arbeiten. Damals war sie siebzehn Jahre alt gewesen, verängstigt, hungrig und bereit, beinahe alles zu tun. Sie hatte im Postraum angefangen und war dann ganz schnell aufgestiegen. Sie besaß das, was Ralph Turner ein von Gott geschenktes Talent nannte. Sie konnte der Firma jedes Jahr Milliarden von Dollar retten, indem sie gestohlene Güter aufspürte und zurückbrachte.
»Meine Mutter ist sehr krank«, erklärte sie Hunt. Die Lüge kam ihr leicht über die Lippen. Lass die Lippen nur sehr leicht zittern. Nicht übertreiben.
»Noch immer?«
»Es ist eine langwierige Sache«, antwortete sie ernst und strich sich die dünne Seide über den Knien glatt, dabei versuchte sie, einen traurigen Blick hinzubekommen. »Ja. Schon seit sehr langer Zeit. Die Medizin ist so teuer. Eine Operation würde ihr helfen, aber wir sind nicht versichert.« Schnell dachte sie nach. Hirntumor? Ein neues Herz? Die Wiederherstellung ihres Augenlichts? Was dauerte sehr lange und war sehr teuer?
»Eine bemerkenswerte Frau«, meinte er.
Huntington St. John war der... regloseste Mensch, der ihr
je begegnet war. Er bewegte sich kaum, rutschte nicht auf seinem Sessel hin und her. Er verschränkte die Beine nicht und klopfte auch nicht mit den Fingern. Er saß einfach nur da und beobachtete sie.
Sie zwang sich, genauso reglos zu sitzen und ihn ohne Argwohn anzusehen.
»Sie muss eine erstaunliche Kraft besitzen, durchzuhalten und zu leiden... noch so lange nach ihrem Tod«, meinte er spöttisch. »Sie ist gestorben, als sie, wie alt doch gleich, waren? Siebzehn?«
Mist . War ihre Mutter wirklich gestorben, als sie siebzehn war? Sie hatte keine Ahnung. Damals waren sie und Amanda schon in Zürich gewesen. Soweit sie es wusste, war das alles erfunden. Aber nur für den Fall, dass er wirklich etwas wusste, was sie nicht wusste, fügte sie schnell noch hinzu: »Ich spreche von meiner Stiefmutter .« Die es überhaupt nicht gab. Taylor wusste nicht, ob er ihr glaubte oder ob er ihr den Strick lieferte, an dem sie sich selbst aufhängen würde, als er nur nickte. »Ich... Es fällt mir zu schwer, darüber zu reden.«
»Da bin ich ganz sicher. Sie sind sehr... sportlich. Lassen Sie uns lieber darüber reden.« Er wechselte mühelos das Thema, als würden sie sich beim Kaffee im Park an einem Sonntagnachmittag unterhalten.
Gymnastik, Ballett und eine natürliche Gabe. »Mein Daddy hat mich zur Akrobatin ausgebildet«, erklärte ihm Taylor und fühlte sich plötzlich wie jemand aus dem Süden, und noch ehe sie darüber nachdachte, fiel sie auch gleich ein wenig in den Dialekt des Südens. »Er war im Zirkus.«
»Natürlich war er das.« Seine Lippen zuckten. Oder bildete sie sich das nur ein. Doch als sie ihn dann wieder ansah, war sein Mund nur eine schmale, grimmige Linie. Gut. Sie
wollte ihn nicht
Weitere Kostenlose Bücher