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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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die Teile des Buchs verzichten, die auf Rakteure von außerhalb angewiesen sind, und in einigen Fällen eigene Rakteure zur Verfügung stellen«, sagte Richter Fang.
    »Das müßte machbar sein. Ich könnte automatische Stimmgeneratoren einbauen – nicht ganz so gut, aber akzeptabel.« In diesem Augenblick ersann John Percival Hackworth, fast ohne bewußt darüber nachzudenken und ohne sich Gedanken über die Folgen seines Tuns zu machen, einen Trick, den er unter dem Radar von Richter Fang und Dr. X und allen anderen Leuten in dem Theater, die besser im Entlarven von Tricks waren als die meisten anderen Menschen auf der Welt, hindurchschmuggeln konnte. »Wenn ich schon dabei bin, könnte ich, sofern es dem Gericht gefällt«, sagte Hackworth höchst unterwürfig, »Änderungen im Inhalt dahingehend vornehmen, daß er eher den einmaligen kulturellen Anforderungen der Han-Leserschaft entspricht. Doch das wird eine gewisse Zeit erfordern.«
    »Nun gut«, sagte Richter Fang, »alle Stockhiebe, bis auf einen, werden ausgesetzt, sofern die Veränderungen abgeschlossen werden. Was die zehn Jahre Haft betrifft, so muß ich zu meiner Verlegenheit gestehen, daß dieser Bezirk, der ausgesprochen klein ist,., nicht über ein Gefängnis verfügt; aus diesem Grund wird der Verdächtige heute abend freigelassen werden, sobald der Stockhieb verabreicht wurde. Doch seien Sie versichert, Mr. Hackworth, Ihre Strafe werden Sie auf die eine oder andere Art absitzen.«
    Die Enthüllung, daß er noch heute abend freigelassen werden würde und zu seiner Familie zurückkehren konnte, übte die Wirkung eines tiefen Lungenzugs Opium auf Hackworth aus. Der Schlag wurde rasch und effizient ausgeführt; er hatte keine Zeit, sich nennenswerte Gedanken darüber zu machen, was ein wenig half. Die Schmerzen lösten einen Schock bei ihm aus. Chang hob seinen reglosen Körper von der Bank hoch und trug ihn zu einer harten Pritsche, wo er ein paar Minuten halb bewußtlos liegenblieb. Sie brachten ihm Tee – einen angenehmen Keemun mit einem deutlichen Lavendelaroma.
    Ohne weiteres Aufhebens wurde er aus dem Mittleren Königreich hinausgeleitet und auf den Straßen der Küstenrepublik abgesetzt, die während des gesamten Verfahrens nie weiter als einen Steinwurf entfernt gewesen waren, aber ebensogut tausend Meilen und tausend Jahre hätten entfernt sein können. Er begab sich unverzüglich, breitbeinig und leicht gebückt, mit winzigen Schritten, zu einem öffentlichen MaterieCompiler, wo er sich etwas Erste-Hilfe-Material kompilierte – Schmerztabletten und ein paar Hämoküle, die angeblich die Heilung von Wunden förderten.
    Gedanken an den zweiten Teil der Strafe, und wie er sie verbüßen würde, machte er sich erst wieder, als er die Brücke schon halb hinter sich gelassen hatte und rasch auf seinen Autoskates dahinglitt, während der Wind durch den Stoff seiner Hose pfiff und auf der Platzwunde brannte, die sich so schnurgerade wie die Spur einer Fernstraße über seine Pobacken zog. Diesmal wurde er von einem Schwarm hornissenförmiger Aerostats begleitet, die in elliptischer Formation um ihn herum durch die Nacht flogen, leise zischelnd und unsichtbar, und nur auf eine Gelegenheit zum Ausschwärmen warteten.
    Dieses Verteidigungssystem, das ihm so überlegen vorgekommen war, als er es kompiliert hatte, schien ihm jetzt ein klägliches Unterfangen zu sein. Eine Bande Halbstarker mochte es wohl aufhalten. Er selbst jedoch hatte die Ebene kleiner Ganoven unklugerweise hinter sich gelassen und ein neues Reich betreten, dessen Mächtige fast ausschließlich hinter der Bühne agierten und deren Wirken für Leute vom Schlage eines John Percival Hackworth einzig und allein erkannt werden konnte, wenn sie die Flugbahnen der unbedeutenden Personen und Institutionen kreuzten, die seiner unmittelbaren Umgebung angehörten. Ihm blieb nichts weiter übrig als sich weiter auf dem Orbit zu bewegen, der ihm vorherbestimmt war. Dieses Wissen machte ihn entspannter als alles, was er in vielen Jahren gelernt hatte, und als er nach Hause kam, küßte er die schlafende Fiona, versorgte seine Wunden mit weiterer therapeutischer Technologie aus dem MC, verbarg sie unter einer Pyjamahose und schlüpfte unter die Bettdecke. Von Gwendolyns dunkler, strahlender Wärme eingelullt, schlief er ein, noch ehe er die Möglichkeit gehabt hatte, ein Gebet zu sprechen.
     

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