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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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eingepflanzt hatte. Sein Körper würde sich entweder daran gewöhnen oder (vorzugsweise) die störenden Nanositen vernichten.
    Das Luftschiff war ein Schnellsegler, die größte Klasse eines Passagierschiffs. Es war in vier Klassen unterteilt. Hackworth befand sich im zweiten Stock von unten, in der dritten. Darunter befand sich das Zwischendeck, das staatenlosen Thetes und den Himmelsmädchen, den Prostituierten der Lüfte, vorbehalten blieb. Diese schmuggelten sich bereits vermittels Bestechung an den Schaffnern vorbei in den Gesellschaftsraum der dritten Klasse, wo sie Hackworth und den
Sararimen
in ihren weißen Hemden, die auf diese Weise reisten, schöne Augen machten. Diese Herren waren in dem einen oder anderen übervölkerten Drachen aufgewachsen und verstanden es, eine Art künstlicher Privatsphäre zu schaffen, indem sie einander entschlossen ignorierten. Hackworth hatte indessen ein Stadium erreicht, wo ihm das vollkommen gleichgültig war, daher starrte er die Männer direkt an, diese Frontsoldaten ihrer verschiedenen MikroStaaten, wie sie ihre marineblauen Jacken penibel zusammenlegten und auf Ellbogen in sargähnliche Mikrokabinen krochen wie GIs unter Stacheldrahtrollen hindurch, mit oder ohne Begleitung.
    Hackworth fragte sich, ob er der einzige unter den rund zweitausend Passagieren des Schiffes sein mochte, der glaubte, daß Prostitution (oder
irgendwas)
unmoralisch war. Er dachte nicht selbstgefällig über diese Frage nach, mehr aus reuevoller Neugier; einige der Himmelsmädchen waren zum Anbeißen. Aber als er seinen Körper in seine Mikrokoje hievte, erlebte er einen erneuten Anfall von Schüttelfrost, der ihn daran erinnerte, daß sein Fleisch einfach zu schwach war, selbst wenn sein Geist willig gewesen wäre.
    Eine andere mögliche Erklärung für den Schüttelfrost war, daß die Nanositen von Dr. X alle anderen suchten und vernichteten, die die Streitkräfte Ihrer Majestät ihm eingesetzt hatten, so daß ein Vernichtungskrieg in seinem Körper tobte und sein Immunsystem Überstunden machte, um das Gemetzel einzudämmen. Unerwartet schlief Hackworth ein, bevor sich der Schnellsegler noch vom Anlegemast gelöst hatte, und träumte von den mörderischen Werkzeugen, welche anläßlich seines ersten Besuchs bei Dr. X auf den Mediatronschirmen zu sehen gewesen waren. Als abstrakte Gebilde waren sie furchteinflößend genug. Daß sich nun ein paar Millionen in seinen Adern tummelten, trug nicht gerade zu seiner Beruhigung bei. Aber schließlich war es nicht so schlimm, wie das Wissen, daß das eigene Blut voller Spirochäten war, womit die Menschen jahrzehntelang leben mußten. Erstaunlich, woran man sich alles gewöhnen konnte.
    Als er es sich im Bett gemütlich machte, hörte er ein leises Klingeln wie von Feenglöckchen. Es kam aus dem kleinen Federhalter an seiner Uhrenkette und bedeutete, daß er Post hatte. Möglicherweise ein Dankesschreiben von Fiona. Er konnte sowieso nicht schlafen, daher nahm er ein Blatt Mediatronpapier zur Hand und sprach den Befehl, der die Post von dem Füllfederhalter auf das Blatt übertrug.
    Zu seiner Enttäuschung stellte er fest, daß es sich um eine gedruckte Nachricht handelte, keine handschriftliche; eine Art offizieller Korrespondenz, und unglücklicherweise kein Brief von Fiona. Als er sie las, ging ihm auf, daß sie nicht einmal offiziellen Charakter hatte. Daß sie nicht einmal von einem Menschen stammte. Es war eine Information, die ihm automatisch von einer Maschine übermittelt wurde, die er vor zwei Jahren selbst in Gang gesetzt hatte. Die Kernaussage verbarg sich zwischen seitenlangen technischen Einzelheiten, Karten, Kurven und Diagrammen. Sie lautete:
     
    D IE I LLUSTRIERTE F IBEL FÜR DIE JUNGE D AME WURDE GEFUNDEN .
     
    Begleitet wurde sie von einer animierten, dreidimensionalen Karte von New Chusan, in der eine rote Linie eingezeichnet war, die vor einem heruntergekommenen Wohnblock in den Leasing-Parzellen namens Zauberland anfing und von da an unregelmäßig über die Insel führte.
    Hackworth lachte, bis seine Nachbarn gegen die angrenzenden Kabinenwände hämmerten und ihm sagten, daß er den Mund halten solle.
     

Nell und Harv unterwegs in den Leasing-Parzellen;
Begegnung mit einer feindseligen Wachpostenspore;
eine Enthüllung über die Fibel
    Die Leasing-Parzellen waren zu teuer, um für die Natur viel Platz zu lassen, doch die Geotekten von Imperial Tectonics hatten gehört, daß Bäume zur Reinigung und Abkühlung der Luft

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