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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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verlassene Straße hinab zu dem Gebäude, wo sie ihr ganzes Leben lang gewohnt hatte. Am Ende der Straße stand eine große Mediatronwerbetafel, wo gerade ein Spot für Coca-Cola lief, ganz im uralten und traditionellen Rot dieser Marke gehalten.
    Die Umrisse von zwei Männern zeichneten sich davor ab: Burt und der große Chinese mit dem runden Kopf.
    Sie tanzten miteinander.
    Nein, der Chinese tanzte. Burt torkelte nur herum wie ein Betrunkener.
    Nein, der Chinese tanzte nicht, er führte einige der Übungen aus, von denen Dojo Nell erzählt hatte. Er bewegte sich langsam und anmutig, bis auf die Augenblicke, wenn alle Muskeln in seinem Körper sich zu einer einzigen explosionsartigen Bewegung verbanden. Normalerweise waren diese Explosionen gegen Burt gerichtet.
    Burt fiel hin und rappelte sich auf die Knie auf.
    Der Chinese kauerte sich zu einer schwarzen Samenkapsel zusammen, sprang in die Luft, wirbelte herum und faltete sich auseinander wie eine aufgehende Blüte. Einer seiner Füße traf Burts Kinn und schien ganz durch Burts Kopf hindurch zu beschleunigen. Burts Körper klatschte auf den Asphalt wie ein paar Liter Wasser, die aus einem Eimer geschüttet wurden. Der Chinese wurde vollkommen reglos, atmete tief durch und rückte seinen Lederhelm und den Saum seiner Robe zurecht. Dann drehte er Nell und Harv den Rücken zu und stapfte mitten auf der Straße davon.
    Nell schlug die Fibel auf. Sie zeigte ein Bild von Dinosaurier, den man als Silhouette hinter einem Fenster des Dunklen Schlosses sehen konnte, wie er mit einem rauchenden Pfahl in den Klauen über dem Leichnam von Baron Burt stand.
    Nell sagte: »Der kleine Junge und das kleine Mädchen flohen ins Land Jenseits.«
     

Hackworth verläßt Shanghai;
seine Mutmaßungen über die möglichen Motive von Dr. X.
    Die potentiellen Passagiere kamen schlitternd auf dem speichelglatten Boden des Aerodroms von Shanghai zum Stehen, während der Ansager die Namen großer und alter chinesischer Städte ins Mikrophon plärrte. Sie stellten Reisetaschen ab, brachten Kinder zum Schweigen, runzelten die Stirnen, legten hohle Hände an die Ohren und schürzten in völliger Verwirrung die Lippen. Eine Großfamilie von zwei Dutzend soeben angekommenen Buren, Frauen mit Hauben und Männer in schweren, derben Bauernhosen, die sich an einem der Tore versammelt hatten und mit heiseren Stimmen einen Dankgesang anstimmten, sorgten nicht eben dafür, daß das ohnehin herrschende Chaos geringer geworden wäre.
    Als der Ansager Hackworths Flug aufrief (San Diego über Seoul, Wladiwostok, Magadan, Anchorage, Juneau, Prince Rupert, Vancouver, Seattle, Portland, San Francisco, Santa Barbara und Los Angeles), schien er zu der Überzeugung gekommen zu sein, daß es unter seiner Würde war oder aber seine Fähigkeiten überstieg, Koreanisch, Russisch, Englisch, Französisch, Küstenselisch und Spanisch in einem einzigen Satz zu sprechen, daher summte er nur eine Weile ins Mikrophon, als wäre er kein hauptberuflicher Ansager, sondern ein schüchterner Sänger ohne Ehrgeiz, der sich in einem großen Chor versteckte.
    Hackworth wußte ganz genau, daß Stunden vergehen würden, bis er das Luftschiff tatsächlich betreten konnte, und daß es, wenn er diese Hürde genommen hatte, weitere Stunden dauern konnte, bis es tatsächlich startete. Nichtsdestotrotz mußte er sich einmal von seiner Familie verabschieden, und der Zeitpunkt schien nicht schlechter als jeder andere zu sein. Er trug Fiona (schon so groß und so schwer!) in einer Armbeuge, hielt Gwen an der Hand und drängte sich so durch eine Flut von Reisenden, Bettlern, Taschendieben und fliegenden Händlern, die von Ballen echter Seide bis zu gestohlenem geistigen Eigentum mit fast allem handelten. Schließlich gelangten sie in eine Ecke, wo sich ein ruhiger Nebenarm vom Strom der Menschen abgeteilt hatte und er Fiona gefahrlos absetzen konnte.
    Er wandte sich zuerst an Gwen. Sie sah immer noch so fassungslos und leer drein wie mehr oder weniger ununterbrochen, seit er ihr eröffnet hatte, er habe einen neuen Auftrag bekommen, »über dessen Natur ich nichts weiter verlauten lassen darf, es sei denn, daß die Zukunft nicht nur meiner Abteilung oder von John Zaibatsu auf dem Spiel steht, sondern die jener Phyle, in die du das Glück hattest, geboren zu werden, und der ich uneingeschränkte Treue geschworen habe«, und müsse eine Reise »von unbestimmter Dauer« nach Nordamerika unternehmen. In letzter Zeit war immer deutlicher

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