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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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magischer Atlas, mit dem sie jedes Land, ob wirklich oder imaginär, erforschen konnte. Nachts las Purpur fast die ganze Zeit in einem sehr großen, verkrusteten, abgegriffenen, fleckigen und versengten Folianten mit dem Titel P ANTECHNIKON . Dieses Buch hatte eine eingebaute Verschlußlasche mit Vorhängeschloß. Wenn Purpur nicht darin las, schloß sie es ab. Nell fragte ein paarmal, ob sie einen Blick hineinwerfen könnte, aber Purpur sagte stets, sie sei zu jung, um zu wissen, was in diesem Buch geschrieben stand.
    Während dieser Zeit machte sich Ente wie immer im Lager nützlich, räumte auf und bereitete die Mahlzeiten zu, wusch die Wäsche auf den Steinen am Fluß und flickte die Kleidung, die im Verlauf ihrer Wanderschaft zerrissen war. Peter wurde rastlos. Er konnte gut mit Worten umgehen, hatte aber noch nicht lesen gelernt, und daher hatten die Bücher aus König Elsters Bibliothek keinen Nutzen für ihn, es sei denn, als Material zum Nestbauen. Er machte es sich zur Angewohnheit, die umliegenden Wälder zu erforschen, speziell die im Norden. Anfangs blieb er nur ein paar Stunden fort, aber einmal blieb er über Nacht weg und kehrte erst am darauffolgenden Nachmittag zurück. Dann begab er sich manchmal mehrere Tage hintereinander auf die Reise.
    Eines Tages brach Peter, unter einem schweren Rucksack taumelnd, in den Wald im Norden auf und kam nicht mehr zurück.
    Nell ging eines Tages über die Wiese und pflückte Blumen, als eine feine Dame – eine Vicky – auf einem Pferd zu ihr geritten kam. Als sie näher kamen, stellte Nell zu ihrer Überraschung fest, daß es sich bei dem Pferd um Eierschale und bei der Dame um Rita handelte, die ein langes Kleid trug, genau wie die Vicky-Ladys, eine Reitermütze auf dem Kopf, und ausgerechnet in einem Damensattel saß.
    »Du siehst hübsch aus«, sagte Nell.
    »Danke, Nell«, sagte Rita. »Möchtest du auch gerne eine Zeitlang so aussehen? Ich hab eine Überraschung für dich.«
    Eine der Frauen, die in der Mühle lebte, war Näherin und hatte Nell ein Kleid gemacht, das sie von Hand zusammengenäht hatte. Rita hatte dieses Kleid mitgebracht und half Nell, es gleich hier, mitten auf der Wiese, anzuziehen. Dann flocht sie Nells Haar zu Zöpfen und steckte sogar einige kleine Wildblumen hinein. Schließlich half sie Nell, zu ihr auf Eierschales Rücken zu steigen, und ritt mit ihr zur Mühle zurück.
    »Heute wirst du dein Buch hierlassen müssen«, sagte Rita.
    »Warum?«
    »Ich bringe dich durch das Gitter in die Klave New Atlantis«, sagte Rita. »Constable Moore hat mir gesagt, ich darf auf gar keinen Fall zulassen, daß du das Buch mit durch das Gitter nimmst. Er sagte, das würde nur für unnötiges Aufsehen sorgen. Ich weiß, du willst mich jetzt fragen, warum, Nell, aber ich habe keine Antwort darauf.«
    Nell lief nach oben, wobei sie ein paarmal über den langen Rock stolperte, und legte die Fibel in ihre kleine Nische. Dann kletterte sie wieder zu Rita auf den Rücken von Eierschale. Sie ritten über eine kleine Brücke aus Stein oberhalb des Wasserrads und durch den Wald, bis Nell das leise Zischeln der Überwachungs-Aerostats hören konnte. Eierschale wurde langsamer und schritt zögernd durch das Feld schimmernder, schwebender Tränen. Nell streckte sogar die Hand aus und berührte eine, zog die Hand aber blitzartig wieder zurück, obwohl die Sonde nichts anderes gemacht hatte, als den Druck zu erwidern. Das Spiegelbild ihres Gesichts glitt im Vorbeireiten über die Oberfläche der Spore.
    Sie ritten eine Zeitlang durch das Territorium von New Atlantis, sahen aber nichts anderes als Bäume, Wildblumen, Bäche und vereinzelte Eichhörnchen oder Rehe.
    »Warum haben die Vickys so eine große Klave?« fragte Nell.
    »Nenn sie niemals Vickys«, sagte Rita.
    »Warum?«
    »Weil es ein Wort ist, mit dem Leute, die sie nicht mögen, sie auf eine böse und unfreundliche Weise beschreiben«, sagte Rita.
    »Wie ein pejorativer Begriff?« fragte Nell.
    Rita lachte mehr nervös als amüsiert. »Genau.«
    »Warum haben die Atlanter eine so große Klave?«
    »Nun, jede Phyle hat ihre eigene Methode, und manche Methoden sind besser zum Geldverdienen geeignet als andere, und darum besitzen manche Phylen ein großes Gebiet und andere nicht.«
    »Was meinst du damit, seine eigene Weise?«
    »Um Geld zu verdienen, muß man hart arbeiten – wenn man sein Leben in einer bestimmten Weise leben will. Die Atlanter leben alle so, das ist Bestandteil ihrer Kultur. Die

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