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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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dazu.
    In den Raum zwischen dem Mädchen und den Zuschauern werden zwei Dutzend Männer geführt. Manche kommen freiwillig gelaufen, manche sehen aus, als wären sie gestoßen worden, manche kommen herein, als wären sie (splitternackt) die Straße entlanggelaufen und durch die falsche Tür eingetreten. Manche sind Asiaten, manche Europäer, manche Afrikaner. Einige müssen von ekstatischen Teilnehmern gedrängt werden, die aus der Menge herausschnellen und sie hierher und dorthin stoßen. Schließlich bilden sie einen Kreis um das Mädchen herum, worauf das Trommeln zu einem ohrenbetäubenden Crescendo anschwillt, immer schneller wird, bis es in ein Gewitter ohne Rhythmus übergeht und plötzlich unvermittelt abbricht.
    Jemand heult mit einer hohen, entschlossenen, schwankenden Stimme. Hackworth kann nicht verstehen, was die Person sagt. Dann ein einziger massiver Trommelschlag. Neuerliches Heulen. Ein weiterer Trommelschlag. Noch mal. Der dritte Trommelschlag ist Auftakt für einen gemächlichen Rhythmus. Das geht eine ganze Weile so weiter, während der Rhythmus allmählich schneller wird. Ab einer gewissen Stelle verstummt der Heuler nicht mehr zwischen den Trommelschlägen, sondern flicht seinen Rap als eine Art Kontrapunkt in die Salven ein. Die Männer, die kreisförmig um das Mädchen herumstehen, fangen an, auf eine ausgesprochen einfache, schlurfende Weise um das Mädchen herumzutanzen, erst in die eine, dann die andere Richtung. Hackworth stellt fest, daß alle eine Erektion haben, die von einem grellbunten mediatronischen Kondom umhüllt wird – Gummis, die ihr eigenes Licht erzeugen, so daß die hüpfenden Ständer aussehen wie viele Neonröhren, die durch die Luft tanzen.
    Die Trommelschläge und der Tanz werden ganz allmählich schneller. Die Erektionen verraten Hackworth, warum es so lange dauert: Er wird hier Zeuge eines Vorspiels. Nach einer halben Stunde ist die phallische und sonstige Erregung unerträglich. Der Rhythmus ist inzwischen ein klein wenig schneller als der durchschnittliche Pulsschlag, eine Menge andere Rhythmen und Konterrhythmen sind darin eingeflochten, und der Gesang der einzelnen Sänger ist zu einem wilden, halb organisierten Chorphänomen geworden. An einer bestimmten Stelle überstürzen sich die Ereignisse plötzlich, nachdem eine halbe Stunde lang scheinbar gar nichts passiert ist. Das Trommeln und Singen explodiert zu einer neuen, unvorstellbaren Stufe der Intensität. Die Tänzer greifen nach unten, nehmen die schlaffen Reservoirspitzen ihrer radioaktiven Kondome und ziehen sie in die Länge. Jemand stürzt mit einem Messer hinzu und schneidet die Spitzen ab-eine ausgeflippte Parodie der Beschneidung-, so daß man die Eichel eines jeden Penis erkennen kann. Das Mädchen bewegt sich zum erstenmal und wirft den Rosenstrauß in die Luft wie eine Braut, die zur Limousine schreitet; die Rosen fächern aus, wirbeln durcheinander und regnen zwischen den Tänzern herab, die sie aus der Luft schnappen oder auf dem Boden danach kriechen, wie auch immer. Das Mädchen wird ohnmächtig oder so, kippt mit ausgestreckten Armen nach hinten und wird von mehreren Tänzern aufgefangen, die ihren Körper über die Köpfe heben und eine Weile mit ihr im Kreis herumspazieren, als hätten sie ihren gekreuzigten Körper gerade vom Kreuz heruntergeholt. Schließlich liegt sie auf dem Boden auf dem Rücken, und einer der Tänzer ist zwischen ihren Beinen; er ist nach wenigen Stößen fertig. Zwei andere packen ihn an den Armen und zerren ihn weg, noch ehe er Gelegenheit hatte, ihr zu sagen, daß er sie auch am Morgen noch lieben wird, dann tritt ein anderer an seine Stelle, und auch er braucht nicht lange – das lange Vorspiel hat die Jungs ausnahmslos in schießwütige Stimmung versetzt. Die Tänzer schaffen es, daß binnen weniger Minuten jeder einmal an der Reihe war. Hackworth kann das Mädchen nicht sehen, das seinen Blicken völlig entzogen ist, aber soweit er sagen kann, wehrt es sich nicht, und niemand scheint es am Boden festzuhalten. Gegen Ende steigt Rauch oder Dampf oder so etwas aus dem Zentrum der Orgie auf. Der letzte Anwärter verzieht das Gesicht noch mehr als ein normaler Mann beim Orgasmus, reißt sich von der Frau los, springt zurück, hält seinen Pimmel, hüpft auf und ab und schreit offenbar vor Schmerzen. Das ist das Signal für die anderen Tänzer, sich von der Frau zu entfernen, die inzwischen schwer auszumachen ist, nur ein verschwommenes, regloses, in Dampf gehülltes

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