Diamond Age - Die Grenzwelt
Nipponesen auch. Die Nipponesen und die Atlanter haben so viel Geld wie alle anderen Phylen zusammengenommen.«
»Warum bist du keine Atlanterin?«
»Weil ich nicht so leben möchte. Alle Leute in Dovetail stellen gern schöne Sachen her. Für uns ist das Verhalten der Atlanter -ihre Kleidung, die vielen Jahre, die sie in der Schule verbringen -irrelevant. Weißt du, diese Verhaltensmuster würden uns nicht helfen, schöne Sachen zu machen. Da trage ich liebe meine Blue-jeans und stelle Papier her.«
»Aber der MC kann Papier herstellen«, sagte Nell.
»Nicht so, wie es die Atlanter mögen.«
»Aber du verdienst mit deinem Papier nur Geld, weil die Atlanter mit harter Arbeit Geld verdienen«, sagte Nell.
Ritas Gesicht wurde rot, und sie sagte eine Zeitlang nichts. Dann sagte sie mit gepreßter Stimme: »Nell, du solltest dein Buch nach der Bedeutung des Wortes
Diskretion
fragen.«
Sie kamen zu einem Reitweg, auf dem überall große Haufen Pferdeäpfel lagen, und folgten ihm bergauf. Bald zwängte sich der Weg zwischen hohen, trockenen Steinmauern dahin, die einer ihrer Freunde in Dovetail gemacht hatte, wie Rita sagte. Der Wald machte Platz für Wiesen, dann Rasenflächen, die wie Gletscher aus Jade aussahen, und große Häuser auf Hügelkuppen, umgeben von geometrisch angelegten Hecken und Blumenbeeten. Der Weg ging in eine mit Kopfsteinen gepflasterte Straße über, von der ab und zu neue Straßen abzweigten, als sie in die Stadt ritten. Der Berg ragte noch eine gute Strecke über ihnen auf, und auf seinem grünen Gipfel konnte Nell, teilweise hinter einer dünnen Wolkenschicht verborgen, Source Victoria erkennen.
Von den tief unten gelegenen Leasing-Parzellen aus hatte die Klave New Atlantis stets sauber und wunderschön ausgesehen, und das war sie auch. Aber Nell stellte erstaunt fest, wie kühl das Wetter hier im Vergleich zu den LPs war. Rita erklärte, daß die Atlanter aus nördlichen Ländern kamen und heißes Wetter nicht mochten; daher hatten sie ihre Stadt hoch in den Bergen erbaut, wo es kühler war.
Rita bog in einen Boulevard ein, in dessen Mitte ein breiter, mit Blumen bepflanzter Grünstreifen verlief. Rechts und links standen Häuser aus rotem Backstein mit Türmchen und Dachrinnenschnauzen und Butzenscheiben überall. Männer in Zylindern und Frauen in langen Kleidern promenierten, schoben Kinderwagen herum und ritten auf Pferden oder Chevalins. Glänzende, dunkelgrüne Roboter, die wie umgekippte Kühlschränke aussahen, glitten mit der Geschwindigkeit von Säuglingen im Krabbelalter summend die Straßen entlang, verweilten über Dunghaufen und sogen sie ein. Ab und zu konnte man einen Boten mit Fahrrad oder eine besonders hochgestellte Persönlichkeit in einem schwarzen, Spurbreiten Automobil sehen.
Rita ließ Eierschale vor einem Haus anhalten und gab einem kleinen Jungen Geld, damit er die Zügel hielt. Aus der Satteltasche zog sie einen Stapel neues Papier, in spezielles Geschenkpapier eingewickelt, das sie ebenfalls selbst gemacht hatte. Sie trug es die Stufen hinauf und läutete. Ein Turm zierte die Vorderseite des Hauses, durch dessen Rundbogenfenster mit Spitzenvorhängen Nell in verschiedenen Stockwerken Kristallüster und erlesenes Porzellan und dunkelbraune Bücherschränke mit Tausenden und Abertausenden Büchern sehen konnte.
Ein Hausmädchen ließ Rita ein. Durch das Fenster konnte Nell erkennen, wie Rita eine Besucherkarte auf ein silbernes Tablett legte – »Präsentierteller« sagten sie dazu. Das Mädchen nahm die Karte mit, kam wenige Minuten später wieder und führte Rita ins Innere des Hauses.
Rita blieb eine halbe Stunde. Nell wünschte sich, sie hätte die Fibel, um ihr Gesellschaft zu leisten. Sie unterhielt sich eine Zeitlang mit dem kleinen Jungen; sein Name war Sam, er lebte in den Leasing-Parzellen, und er zog sich jeden Tag einen Anzug an und fuhr mit dem Bus hierher, damit er auf der Straße herumhängen und den Leuten die Pferde halten oder ähnliche kleine Gelegenheitsarbeiten erledigen konnte.
Nell fragte sich, ob Tequila in einem dieser Häuser arbeitete und ob sie ihr zufällig über den Weg laufen könnte. Die Brust schnürte sich ihr jedesmal zusammen, wenn sie an ihre Mutter dachte.
Rita kam aus dem Haus. »Entschuldige«, sagte sie. »Ich habe so schnell gemacht, wie ich konnte, aber ich mußte ein wenig bleiben und Konversation machen. Etikette, du weißt schon.«
»Erkläre Etikette«, sagte Nell. So redete sie immer mit der Fibel.
»Dort,
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