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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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allgegenwärtig: Sie lagen auf der Straße, zu Haufen aufgetürmt, quollen aus Metallkörben, baumelten von Dächern oder hingen gespannt zwischen Türmen.
    Durch das Scheppern und Quietschen der Männer, die sie trugen, konnte sie kaum etwas anderes hören; aber als sie höher und tiefer in das Schloß vorstießen, bemerkte sie ganz allmählich ein tiefes, knirschendes und mahlendes Geräusch, das durch jeden einzelnen Quaderstein drang. Das Geräusch erreichte seinen Höhepunkt, als sie durch den letzten langen Flur schritten, und wurde beinahe ohrenbetäubend, als sie schließlich das Gewölbe des Thronsaals mitten im Herzen des Schlosses erreichten.
    Es war dunkel und kalt in dem Raum, obschon ein wenig Helligkeit durch Lichtgaden hoch droben an der Gewölbedecke einfiel. Männer in Rüstungen standen mucksmäuschenstill an den Wänden entlang. In der Mitte des Saals saß auf einem doppelt mannshohen Thron ein Mann, ein Riese in einer Rüstung, die wie eine Lupe glänzte. Unter ihm stand ein Mann in Rüstung, der einen Lappen und einen Reisigbesen hielt und emsig damit beschäftigt war, eine der Beinschienen seines Herrn zu polieren.
    »Willkommen in Schloß Turing«, sagte der Schloßherr mit metallischer Stimme.
    Mittlerweile hatten sich Prinzessin Nells Augen an das Halbdunkel angepaßt, und sie konnte noch etwas hinter dem Thron erkennen: einen gewaltigen Schaft, so dick wie der Hauptmast eines Kutters, aus dem Stamm eines großen Baumes hergestellt und mit Messingplatten und Bändern verstärkt. Der Schaft drehte sich unaufhörlich, und Prinzessin Nell kombinierte, daß er die Energie der riesigen Windmühle über ihnen umsetzen mußte. Riesige Zahnräder, schwarz und klebrig von Schmieröl, waren mit dem Schaft verbunden und übersetzten die Energie auf andere, kleine Gestänge, die sich horizontal in alle Richtungen erstreckten und in Löchern in den Wänden verschwanden. Das Drehen und Knirschen dieser Schäfte und Zahnräder erzeugte das allgegenwärtige Geräusch, das ihr schon vorher aufgefallen war.
    Ein horizontaler Schaft verlief etwa in Brusthöhe eines ausgewachsenen Mannes an jeder Wand des Thronsaals entlang. Dieser Schaft führte in kurzen, regelmäßigen Intervallen durch Getriebekästen. Aus jedem Getriebekasten ragte, direkt aus der Wand, rechtwinklig ein gedrungener, quadratischer Schaft heraus. Die Positionen dieser Getriebekästen stimmten mit denen der Soldaten überein.
    Der Soldat, der die Rüstung des Schloßherrn polierte, arbeitete sich zu einem der dornenbewehrten Knieschützer seines Meisters vor, und dabei drehte er Prinzessin Nell den Rücken zu. Sie sah zu ihrem großen Erstaunen ein großes, quadratisches Loch mitten in seinem Rücken.
     
    Nell ahnte, daß es sich bei den Namen Schloß Turing um einen Hinweis handelte; sie hatte an Miss Mathesons Akademie ein wenig über Turing gelernt. Er hatte etwas mit Computern zu tun. Sie hätte die Seiten des Lexikons aufschlagen und nachsehen können, hatte aber inzwischen gelernt, die Fibel ihre eigene Geschichte erzählen zu lassen. Eindeutig handelte es sich bei den Soldaten nicht um Männer in Rüstungen, sondern um Aufziehpuppen, und dasselbe galt wahrscheinlich für den Herzog von Turing selbst.
    Nach einer kurzen und nicht eben interessanten Unterhaltung, bei der Prinzessin Nell vergeblich herauszufinden versuchte, ob der Herzog ein Mensch war oder nicht, verkündete er emotionslos, daß er sie für alle Zeiten in den Kerker werfen lassen würde.
    So etwas überraschte oder beunruhigte Nell nicht mehr, denn es hatte sich schon hunderte Male so zugetragen, seit sie die Fibel besaß. Außerdem hatte sie von dem Tage an, als Harv ihr das Buch geschenkt hatte, genau gewußt, wie die Geschichte ausgehen würde. Sie war nur voller Windungen und Krümmungen; je eingehender man las, desto mehr Verwicklungen ergaben sich.
     
    Einer der Soldaten löste sich von dem Getriebekasten an der Wand, stapfte in eine Ecke und hob einen Metallkorb mit einer der eigentümlichen Ketten auf, die Prinzessin Nell überall gesehen hatte. Er trug den Eimer zum Thron, fischte darin herum, bis er das Ende der Kette gefunden hatte, und führte es in ein Loch an der Seite des Throns ein. Derweil hatte sich ein zweiter Soldat ebenfalls von der Wand gelöst und an der gegenüberliegenden Seite des Throns Stellung bezogen. Dieser Soldat klappte sein Visier hoch und gab den Blick auf einen Mechanismus an der Stelle frei, wo sein Kopf hätte sein sollen.
    Ein

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