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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Tisch saß und nichts anderes tat, als Bücher zu dechiffrieren, ihren Inhalt auf lange Blätter Kanzleipapier schrieb und sie anderen Leuten gab, die das Inhaltsverzeichnis lasen, Regelbücher konsultierten und einem Mann mit Füller Antworten diktierten, die er chiffrierte und in Büchern niederschrieb, die anschließend zum Weiterleiten auf den Marktplatz geworfen wurden. Nell fiel auf, daß die Männer mit den Füllern stets juwelen-besetzte Schlüssel an Ketten um den Hals trugen; die Schlüssel waren offenbar das Wahrzeichen der Dechiffriergilde.
    Es erwies sich, daß dieses Schloß teuflisch schwer zu enträtseln war, und Nell arbeitete mehrere Wochen daran. Ein Teil des Problems bestand darin, daß dies das erste Schloß auf Prinzessin Nells Wanderschaft war, das tatsächlich funktionierte, wie es sollte; dem dunklen Ritter war es nicht gelungen, das System zu stören, was wahrscheinlich daran lag, daß hier alles kodiert wurde und alles dezentralisiert war. Nell stellte fest, daß man ein System, das reibungslos funktionierte, viel schwerer durchschauen konnte als eines mit Fehlern.
    Schließlich mußte Prinzessin Nell bei einem Meisterkodierer in die Lehre gehen und alles lernen, was es über Kodes und die Schlüssel, um sie zu dechiffrieren, zu lernen gab. Als das vollbracht war, bekam sie ihren eigenen Schlüssel als Wahrzeichen ihres Amtes und fand einen Job in einer der Buden, wo sie Bücher ver- und entschlüsselte. Wie sich herausstellte, war der Schlüssel mehr als nur Zierat; in seinem Schaft steckte ein zusammengerolltes Pergament mit einer langen Ziffernfolge darauf, die man zum Entschlüsseln von Botschaften benutzen konnte, wenn der Absender wollte, daß man sie entschlüsselte.
    Von Zeit zu Zeit ging sie zum Rand des Marktes, tauschte ein Buch gegen Gold und kaufte sich etwas zu essen und zu trinken.
    Bei einem dieser Ausflüge sah sie ein anderes Mitglied der Dechiffriergilde, das ebenfalls Pause machte, und stellte fest, daß der Schlüssel, den es um den Hals trug, ihr bekannt vorkam: es war einer der elf Schlüssel, die Nell und ihre Freunde der Nacht den Feenkönigen und -königinnen abgenommen hatten! Sie verbarg ihre Aufregung, folgte dem Chiffrierer bis zu seiner Bude zurück und notierte sich, wo er arbeitete. Im Lauf der nächsten Tage ging sie von Bude zu Bude, betrachtete jeden Chiffrierer genauestens und konnte so den Rest ihrer elf Schlüssel aufspüren.
    Es gelang ihr, einen Blick in die Regelbücher zu werfen, mit denen ihre Arbeitgeber die kodierten Botschaften beantworteten. Sie waren in derselben speziellen Sprache geschrieben, die in den beiden vorherigen Schlössern benutzt worden war.
    Mit anderen Worten, wenn Prinzessin Nell die Botschaften erst einmal entschlüsselt hätte, dann würde ihre Bude wie eine weitere Turing-Maschine funktionieren.
    Man hätte leicht schließen können, daß es sich bei diesem Schloß, wie bei allen anderen, um eine Turing-Maschine handelte. Aber die Fibel hatte Nell gelehrt, daß sie mit unbegründeten Schlußfolgerungen äußerst vorsichtig sein sollte. Daß ihre Bude nach Turings Gesetzen funktionierte, bedeutete noch lange nicht, daß es bei allen anderen genauso sein mußte. Und selbst wenn jede Bude in diesem Schloß tatsächlich eine Turing-Maschine sein sollte, durfte sie daraus keine übereilten Schlüsse ziehen. Sie hatte Reiter gesehen, die Bücher ins Schloß und hinaus beförderten, was bedeutete, daß auch anderswo in diesem Königreich Chiffrierer arbeiten mußten. Sie konnte nicht beweisen, daß alle Turing-Maschinen waren.
    Es dauerte nicht lange, bis Nell es hier zu Wohlstand gebracht hatte. Nach einigen Monaten (die in der Fibel mit ebenso vielen Sätzen zusammengefaßt wurden) verkündeten ihre Arbeitgeber, daß sie mehr Arbeit bekamen, als sie erledigen konnten. Sie beschlossen, eine Zweigstelle zu errichten. Sie errichteten eine neue Bude am Rand des Marktes und gaben Nell einige ihrer Regelbücher.
    Außerdem besorgten sie ihr einen neuen Schlüssel. Zu diesem Zweck wurde eine speziell kodierte Botschaft in das Schloß von König Kojote selbst geschickt, das drei Tagesritte im Norden lag. Sieben Tage später kam Nells Schlüssel in einer scharlachroten Schachtel, die das Siegel von König Kojote persönlich trug.
    Von Zeit zu Zeit kam jemand zu ihrer Bude und versuchte, sie auszukaufen. Nell lehnte stets ab, fand es aber interessant, daß man die Schlüssel auf diese Weise kaufen und verkaufen konnte. Nell brauchte nur

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