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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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selbstvergessen. Es bereitete Hackworth großes Vergnügen, sie nur anzusehen. Als sie die Bar betreten hatte, hatte er gedacht, daß sie ein unscheinbares Gesicht hätte, aber als sie ihre Zurückhaltung fallenließ und offen sprach, schien sie immer hübscher zu werden. »Wir sind hier mit allem verbunden - in das gesamte Informationsuniversum eingeloggt. In Wirklichkeit ist es ein virtuelles Theater. Aber wir sind nicht vernetzt, sondern die Bühne, Kulissen, Besetzung und Drehbuch sind allesamt Software - sie können jederzeit verändert werden, indem man einfach Bits verschiebt.«
    »Oh. Also kann die Vorstellung –oder die verflochtene Serie von Vorstellungen - jeden Abend anders sein.«
    »Nein, Sie verstehen es immer noch nicht«, sagte sie und wurde ziemlich aufgeregt. Sie ergriff seinen Arm dicht unterhalb des Ellbogens und beugte sich zu ihm, damit er nur ja kapierte. »Es ist nicht so, daß wir eine Bühnenshow durchziehen, rekonfigurieren, und am nächsten Abend eine andere aufführen. Die Veränderungen sind dynamisch und finden in Echtzeit statt. Die Vorstellung rekonfiguriert sich selbst dynamisch, je nachdem, was von
einem Augenblick zum nächsten
passiert – und bedenken Sie, nicht nur hier, sondern in der ganzen Welt. Es ist ein
SmartSchauspiel –
ein intelligenter Organismus.«
    »Wenn also beispielsweise irgendwo im Inneren Chinas ein Gefecht zwischen den Fäusten der Rechtschaffenen Harmonie und der Küstenrepublik stattfinden würde, dann könnten die Wendungen dieses Gefechts in gewisser Weise –«
    »Möglicherweise die Farben eines Scheinwerfers oder eine Textzeile beeinflussen -, aber natürlich nicht unbedingt in einer einfachen und deterministischen Weise –«
    »Ich glaube, ich verstehe«, sagte Hackworth. »Die internen Variablen des Stücks sind abhängig von dem totalen Universum der Informationen außerhalb –«
    Die Frau nickte heftig und schien zufrieden mit ihm zu sein; ihre großen schwarzen Augen glänzten.
    Hackworth fuhr fort: »Wie beispielsweise der Geisteszustand eines Menschen in jedem gegebenen Augenblick von der relativen Konzentration zahlloser chemischer Substanzen abhängig ist, die durch seinen Blutkreislauf wandern.«
    »Ja«, sagte die Frau, »wenn Sie zum Beispiel in einem Pub sind und von einem ansehnlichen jungen Gentleman angesprochen werden, dann werden die Worte, die aus Ihrem Mund kommen, von der Menge Alkohol beeinflußt, die Sie zu sich genommen haben, und – selbstverständlich – durch eine Konzentration natürlicher Hormone – wieder nicht in einer einfachen deterministischen Weise -, und das alles sind Inputs.«
    »Ich glaube, ich begreife allmählich, worauf Sie hinauswollen«, sagte Hackworth.
    »Nehmen Sie statt der heutigen Vorstellung das Gehirn, und die Informationen, die durch das Netz fließen, als Moleküle in Ihrem Blutkreislauf, und schon haben Sie es«, sagte die Frau.
    Hackworth war ein wenig enttäuscht, daß sie nicht beim Vergleich mit dem Pub geblieben war, den er weitaus interessanter fand.
    Die Frau fuhr fort: »Dieser Mangel an Determinismus veranlaßt manche, den ganzen Prozeß als Wichserei abzutun. In Wahrheit ist er aber ein unvorstellbar mächtiges Werkzeug. Einige Leute verstehen das.«
    »Ich glaube, ich auch«, sagte Hackworth, der sie verzweifelt davon überzeugen wollte, daß er verstand.
    »Und manche Leute kommen hierher, weil sie auf der Suche sind – weil sie versuchen, sagen wir, einen verlorenen Liebhaber zu finden, weil sie begreifen wollen, weshalb etwas Schreckliches in ihrem Leben geschehen ist, warum Grausamkeit auf der Welt existiert oder warum sie nicht mit ihrer Karriere zufrieden sind. Die Gesellschaft war nie gut darin, derlei Fragen zu beantworten – Fragen, die man nicht einfach in Datenbanken nachschlagen kann.«
    »Aber das dynamische Theater ermöglicht einem, auf intuitivere Weise eine Schnittstelle mit dem Datenuniversum zu bilden«, sagte Hackworth.
    »Das ist es
ganz genau«,
sagte die Frau. »Ich freue mich so, daß Sie das verstanden haben.«
    »Als ich mit Informationen gearbeitet habe, dachte ich mir gelegentlich, auf eine verschwommene und allgemeine Weise, daß so etwas wünschenswert sein könnte«, sagte Hackworth. »Aber es übersteigt meine Vorstellungskraft.«
    »Wo haben Sie von uns gehört?«
    »Ich wurde von einem Freund hergeschickt, der früher in lockerer Verbindung mit Ihnen stand.«
    »Ach? Dürfte ich fragen, wer das ist? Vielleicht haben wir einen gemeinsamen

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