Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
Freund«, sagte die Frau, als wäre das etwas Großartiges.
    Hackworth spürte, wie er rot wurde, und atmete tief durch. »Na gut«, sagte er. »Ich habe gelogen. Es war gar kein Freund von mir. Es war jemand, zu dem ich geführt wurde.«
    »Ah, jetzt kommen wir der Sache schon näher«, sagte die Frau. »Ich wußte, daß Sie etwas Geheimnisvolles umgibt.«
    Hackworth war verlegen und wußte nicht, was er sagen sollte. Er sah in sein Bier. Die Frau sah ihn an; er konnte ihre Blicke auf seinem Gesicht spüren wie die Wärme von Scheinwerfern.
    »Also sind Sie auf der Suche nach etwas hierhergekommen. Richtig? Etwas, das Sie nicht in einer Datenbank finden konnten.«
    »Ich suche einen Mann, der Alchimist genannt wird«, sagte Hackworth.
    Plötzlich wurde es hell. Die zum Fenster gewandte Seite des Gesichts wurde grell beleuchtet wie eine Raumsonde, die auf einer Seite direktem Sonnenlicht ausgesetzt ist. Hackworth spürte irgendwie, daß das keine neue Entwicklung war. Als er den Blick über das Publikum schweifen ließ, stellte er fest, daß fast alle ihre Leuchten auf die Bar gerichtet hatten und jeder hier seine gesamte Unterhaltung mit der Frau mit angesehen und gehört hatte. Die Brille hatte ihn getäuscht, indem sie die angemessene Beleuchtung simulierte. Die Frau sah ebenfalls anders aus; ihr Gesicht hatte wieder dasselbe Aussehen wie vorhin, als sie hereingekommen war, und nun begriff Hackworth, daß ihr Bild in der Brille sich aufgrund des Feedbacks aus dem Teil seines Gehirns, der zu brummen anfing, wenn er eine wunderschöne Frau sah, während der Unterhaltung allmählich verändert hatte.
    Der Vorhang ging auf und zeigte ein großes elektrisches Leuchtschild, das von der Decke heruntergelassen wurde: J OHN H ACKWORTH in D IE S UCHE NACH DEM A LCHIMISTEN , in der Hauptrolle J OHN H ACKWORTH als
Er selbst.
    Der Chor sang:
     
    John Hackworth ist ein solcher Stiesel
    Gefühle zeigen ist nicht drin
    Das hat Folgen, und zwar ganz fiese:
    Die Frau ist er los, der Job ist hin.
    Er ist auf seiner verflixten Suche.
    Wandert um die ganze Welt, Jagt nach seinem Alchimisten,
    Wenn ihm nicht grad ein Mädchen gut gefällt
    Vielleicht kriegt er's ja noch geregelt
    Und erledigt seinen Job heut nacht
    Ein tolles Abenteuer, beflügelt
    Mit Ton- und Lichteffekten tausendfach
    Hacker John, oh, pack es an, pack's an, pack's an, pack's an!
     
    Etwas zog ruckartig an Hackworths Hals. Die Frau hatte ihm eine Schlinge um den Hals gelegt, während er zum Fenster hinausgeschaut hatte, und jetzt zerrte sie ihn zur Tür der Bar hinaus wie einen widerspenstigen Hund. Kaum war sie draußen, blähte sich ihr Cape auf wie eine Explosion in Zeitraffer, und sie schoß, von Schubdüsen getragen, die man irgendwie in ihre Kleidung eingebaut hatte, vier Meter in die Höhe – sie ließ von der Leine nach, damit Hackworth dabei nicht erhängt wurde. Sie flog über dem Publikum dahin wie auf der Feuersäule einer Rakete und führte den stolpernden Hackworth die Schräge hinab zum Wasser. Die Hebebühne war durch mehrere schmale Brücken mit dem Parkett verbunden, und Hackworth überquerte eine davon im Licht von Hunderten von Leuchten, die so heiß zu sein schienen, als könnten sie seine Kleidung in Brand stecken. Sie führte ihn mitten durch den Chor, unter dem elektrischen Schild hindurch und zu einer Tür hinaus, die hinter ihm ins Schloß fiel. Dann verschwand sie.
    Hackworth sah sich auf drei Seiten von schwach leuchtenden blauen Wänden umgeben. Er streckte die Hand aus, berührte eine davon und wurde für seine Kühnheit mit einem schwachen Elektroschock bestraft. Als er sich in Bewegung setzte, stolperte er über etwas: einen trockenen Knochen, groß und schwer, größer als ein menschlicher Oberschenkelknochen.
    Er ging durch die einzige Öffnung und sah sich weiteren Wänden gegenüber. Man hatte ihn ins Zentrum eines Labyrinths gebracht.
    Er brauchte eine Stunde, bis ihm klar wurde, daß er auf normale Weise nicht entkommen konnte. Er versuchte nicht einmal, den Plan des Labyrinths zu ergründen; nachdem ihm klargeworden war, daß das Labyrinth unmöglich größer als das Schiff sein konnte, folgte er statt dessen der narrensicheren Methode, an jeder Ecke rechts abzubiegen, die, wie alle klugen Jungen wußten, früher oder später zum Ausgang führen mußte. Aber er kam nicht zum Ausgang, und er begriff den Grund dafür nicht, bis er einmal aus dem Augenwinkel sah, wie sich ein Teil der Wand verschob, einen Durchgang versperrte

Weitere Kostenlose Bücher